17.März 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Erdkröten: Warum Männchen (fast) alles bespringen, was sich bewegt

Karl Josef Strank

Erdkröten gewinnen unter den heimischen Amphibien nicht gerade den Schönheitswettbewerb. Mit ihrem dicken und plump wirkenden Körper und ihrer runzelig warzigen Haut gelten sie vielen schon fast als Ekeltiere. Dabei sind sie gerade in diesen Tagen oft im Doppelpack unterwegs und es gibt Straßen und Wege, wo man geradezu bei Schritt und Tritt über sie stolpert. Sie kommen aus ihren Winterverstecken und streben unverzüglich und ohne Nahrung aufzunehmen auf direktem Weg zu ihren Laichgewässern, die sie jedes Jahr wieder in gleicher Weise aufsuchen wie im vergangenen. Wenn es nicht unter 5°C kalt ist, wandern sie zu Hunderten und Tausenden nach Einbruch der Dämmerung ihren angestammten Tümpeln entgegen. Wer sie genau beobachtet bemerkt, dass die Kröten bei Regenwetter lieber und in größerer Zahl wandern als in trockenen Nächten.

Die Männchen sind kleiner und schlanker als die Weibchen und gegenüber diesen stark in der Überzahl, etwa sieben Männchen kommen auf ein Weibchen. Daher springen die Männchen jeden Gegenstand an, der sich bewegt und in etwa die Größe eines Weibchens hat. Häufig klammern so Männchen auf Männchen. Das besprungene Männchen gibt dann einem metallischen Bellen ähnliche „Befreiungslaute“ von sich. Diese Abwehrreaktion kann auch im Frühling gezielt ausgelöst werden, wenn man Krötenmännchen mit zwei Fingern in den Achseln packt. Springt ein Männchen eines der seltenen Weibchen an, hält dieses zunächst still bis es umklammert wird. Dann wandert es mit dem Männchen huckepack zum Laichgewässer. Dort angekommen halten sich beide einige Tage im Schilf oder auf dem Teichgrund auf bis – ausgelöst durch den Aufenthalt im Wasser und durch Tageslicht – vor allem beim Weibchen die Laichstimmung einsetzt.

Das kann bis zu vierzehn Tagen dauern, dann aber sucht das Weibchen Schilf und andere Wasserpflanzen auf, um daran ihre Laichschnüre zu verankern, die sobald sie aus ihrem Körper austreten vom Männchen befruchtet werden. Ist es soweit streckt das Weibchen die Beine lang nach hinten aus und macht ein Hohlkreuz, das Signal für das huckepack klammernde Männchen, den Samen ins Wasser zu geben. Insgesamt produziert ein Weibchen etwa zwei Meter Laichschnüre in Portionen von etwa zwanzig Zentimetern. Der Laichvorgang kann von daher mehrere Stunden bis einen Tag dauern.

Nach dem Laichgeschäft wandern die Weibchen zurück in die Sommerquartiere. Die Männchen bleiben noch etwas länger im Teich. Entfernungen von ein bis anderthalb (ausnahmsweise bis drei) Kilometer werden dabei in der Regel zurückgelegt. Sie verharren dann noch einige Zeit in Untätigkeit, bis Ende April/Anfang Mai die Temperaturen auch abends auf 12°C steigen. In warmen Regennächten unternehmen sie Jagdstreifzüge. Hungrig genug sind sie, denn seit Oktober des Vorjahres haben sie nichts gegessen. Auf ihrem Speiseplan stehen Ameisen, Regenwürmer, Nacktschnecken, Spinnen, Fliegen und Käfer. In den Gärten machen sie sich daher als natürliche Schädlingsvertilger nützlich.

Ab Mitte August und im September verlassen die Kröten die Sommerquartiere und wandern wieder näher in Richtung ihrer Laichgewässer. Im Oktober graben sie sich an einer passenden Stelle ein und kommen erst im März des nächsten Jahres wieder zum Vorschein, wenn der Fortpflanzungstrieb sie mit Macht ins Wasser treibt und sich so der Jahreskreislauf schließt.

Wegen ihres wirksamen Giftes haben die Kröten nur wenige Feinde, sie leiden jedoch mitunter erheblich unter der Krötenfliege. Diese legt ihre Eier auf Rücken oder Seite der Kröten ab. Die Larven dringen in die Nasenhöhlen ein und zerstören dort das Gewebe. Befallene Kröten irren mit übermäßig erweiterten Nasenlöchern auch am Tag orientierungslos umher bis sie schließlich dem Parasit erliegen. Ansonsten haben Kröten im Vergleich mit anderen Lurchtieren eine hohe Lebenserwartung. Haben sie es geschafft erwachsen zu werden, können sie durchweg zehn Jahre alt werden, in Menschenobhut noch älter.

Gift schützt auch die Quappe
Die Kaulquappen der Erdkröte sehen aus wie kleine pechschwarze Hufnägel, die in großen Massen die Ufer der Laichgewässer säumen. Sie wechseln im geschlossenen Verband auf breiter Front oder in bandförmiger Prozession die Futterplätze. Wird ein Mitglied des Verbands verletzt, stiebt der ganze Schwarm in allen Richtungen auseinander. Man konnte nachweisen, dass die verletzte Quappe einen Stoff freisetzt, der alle anderen warnt. Das Gift der erwachsenen Kröten schützt auch schon die Kaulquappen, denn Barsche, Elritzen und Molche fressen keine Erdkrötenlarven.

Eine Kröte mit Namen Kühlwalda erlangte vor Jahren eine gewisse Berühmtheit als zuverlässige Begleiterin des wuseligen und schrulligen Zauberers Catweazle, der aus seinem Jahrhundert in die Neunzehnhundertsiebziger Jahre katapultiert wurde und sich mit diversen zivilisatorischen Neuheiten herumplagen musste. Zu trauriger Berühmtheit ist die Aga oder Riesenkröte gelangt. Sie wurde aus Mittel- und Südamerika in Australien zur Vertilgung schädlicher Insekten eingeführt, entwickelte sich aber wegen ihrer starken Ausbreitung und ihres ungezügelten Appetits auch auf andere Kleintiere zu einer schlimmen Plage, derer man kaum Herr wird. Sie ist deswegen für viele Bewohner Australiens zu einer regelrechten Hasskröte geworden, die mit Golf- und Cricketschlägern oder in Plastiktüten gesammelt und durch Einfrieren getötet wird. Diese martialischen Maßnahmen bezwecken aber wenig und so beschäftigen sich neuerdings Wissenschaftler mit dem Problem.

Ganz anders bei uns: Wir schützen die Kröten, leiten sie in jedem Frühjahr, damit sie nicht schon beim Liebesvorspiel platt auf den Straßen enden, mit Krötenzäunen und Krötentunnel zu ihren Laichgewässern und wieder zurück.

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zuletzt bearbeitet am 18.IV.2011