24.März.2011
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Märzveilchen: Duftende Boten des Frühlings, Symbole für Liebe und Hoffnung
Ruth Gestrich-Schmitz
Endlich sind sie da: die wärmenden Sonnenstrahlen, die uns pünktlich zum Frühlingsanfang verwöhnen, und mit ihnen erste blau-violette Frühlingsboten, die Veilchen, die schon in Eduard Mörikes bekanntem Frühlingsgedicht „Er ist´s“ mit ihrem Aufblühen den Winter verabschieden wollen: „Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. / Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. / Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. / Horch, von fern ein leiser Harfenton! / Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!“
Im lichten Schatten unter der Buchenhecke neben dem Haus habe ich sie entdeckt. Einen kleinen blauvioletten Teppich bilden hier die Blüten von Viola odorata, dem März-Veilchen, auch Duft- oder Wohlriechendes Veilchen genannt, im Volksnamen unter Osterveigerl, Marienstängel oder Schwalbenblume bekannt. Den Blüten entströmt ein feiner, betörender Duft, für den der Aromastoff Alpha-Ionon verantwortlich ist, und der mich an die Veilchenpastillen erinnert, die es auf der Kirmes zu kaufen gab und heute noch gibt.
Viola odorata gehört zur Familie der Veilchengewächse (Violaceae) und ist eine mehrjährige, krautige Pflanze mit einer Wuchshöhe von 5 10 cm, die feuchte, kühle Standorte wie Waldränder, Gebüsche und Hecken liebt. Ihre fein behaarten, herzförmigen, am Rand schwach gekerbten Blätter stehen in einer Rosette, aus der die Blütenstiele entspringen. Die kleinen Nebenblätter sind eiförmig und zugespitzt. Die Pflanze bildet Ausläufer, die sich bewurzeln können. Die zygomorphen (aus zwei spiegelgleichen Hälften bestehenden) Blüten besitzen 5 Kronblätter, das mittlere untere mit einem Sporn, der den Nektar enthält. Die kleinen Samen, die in einer Kapsel reifen, werden von Ameisen verbreitet, die sich an den nährstoffreichen Samenanhängseln (Elaiosom) gütlich tun.
Hausmittel gegen Husten
Das Duftveilchen enthält Saponine, ätherische Öle, Schleimstoffe, Bitterstoffe, Salizylsäureverbindungen und Odoratin, das Blutdruck-senkend wirken soll. In der Pflanzenheilkunde verwendet man das Kraut, als Tee aufgebrüht, bei Halsentzündungen, hartnäckiger Bronchitis, zur Blutreinigung und als Mittel gegen Hautkrankheiten. Veilchensirup wird Kindern gerne als Hausmittel gegen Husten gegeben. In der Homöopathie wird Viola odorata bei Ohrenschmerzen, rheumatischen Erkrankungen, Asthma, Keuchhusten sowie gegen Hautunreinheiten eingesetzt. Sebastian Kneipp empfiehlt die Anwendung von Duftveilchen auch bei Kopfschmerzen. Beim Fasten nach der klösterlichen Temperamentenlehre wird eine Aromatherapie mit Veilchenöl am 3. Fastentag für den „impulsiven Choleriker“ als begleitende Anwendung empfohlen, wobei die Inhaltsstoffe ausgleichend auf Psyche und Nerven wirken. Allgemein soll Veilchenduft helfen, Aggressionen zu dämpfen und den Schlaf zu fördern.
In der Antike war das Veilchen bereits eine Modepflanze. Die den Göttern geweihte Blume wurde später im Christentum aufgrund ihrer Symbolik für Demut eine der Blumen der Gottesmutter Maria. Besonders im 19. Jahrhundert waren Veilchen in Europa äußerst beliebt: Zahlreiche Sorten wurden von speziellen Gärtnereien gezüchtet, meist besonders großblütige und langstielige, die sich gut als Schnittblumen eigneten. Viele der damals gezüchteten Sorten existieren heute nicht mehr, die Sorte „Königin Charlotte“ mit blauvioletten Blüten ist erhalten geblieben. Queen Victoria und Kaiserin Elisabeth von Österreich liebten Veilchen und ihren Duft und schwärmten für Veilchen-Sorbet und kandierte Veilchen. Aber nicht nur Frauen, auch berühmte Männer wie Napoleon Bonaparte und Winston Churchill waren für die Schönheit und den Duft des Veilchens empfänglich.
Das Wohlriechende Veilchen ist das einzige Veilchen, das zur Parfumherstellung genutzt wird. Arabische Gewürzhändler brachten wohl im 14./15. Jahrhundert als erste Veilchenparfum nach Europa. Da man für die Gewinnung von Veilchenöl enorme Mengen an Veilchen benötigt und das Öl dadurch sehr teuer ist, begann man im 19. Jahrhundert Veilchenparfums aus der Schwertlilie Iris germanica var. Florentina oder Iris pallida herzustellen, und zwar aus dem getrockneten Rhizom (meist unterirdisch und horizontal verlaufende Sprosse), auch Veilchenwurz genannt. Im selben Jahrhundert gelang es, den Veilchenduft erstmals synthetisch herzustellen. Heute werden Veilchen zur Gewinnung von Duftstoffen vor allem in Frankreich und Italien angebaut. Berühmt ist Toulouse als traditionelle Veilchenstadt („Cité des Violettes“).
Legenden
Um das Veilchen ranken sich schon seit der Antike zahlreiche Legenden. So soll eine Tochter des Atlas, Zeus um Hilfe bittend, von ihm in ein Veilchen verwandelt worden sein, um sich vor dem Sonnengott Apoll zu verbergen, der sie mit seiner Liebe verfolgte. Seitdem gilt das Veilchen als Symbol für versteckte Schönheit im Verborgenen. In der griechischen Sage wird berichtet, dass unter den Schritten der Frühlingsgöttin Persephone, wenn sie aus der Unterwelt emporsteigt, Veilchen aufblühen. Zum Gedenken an Persephone ist es in der Bretagne an Karfreitag Brauch, Veilchen auszusäen, um den Frühling herbeizulocken.
Das Veilchen steht als Symbol für Frühling, Hoffnung, Liebe, Treue. Das Veilchen als Frühlingsbote war schon bei den Germanen beliebt: Derjenige, der im Frühling das erste Veilchen fand, stand im Mittelpunkt eines Freudenfestes. Rauschende Feste zur Märzveilchenblüte feierte man im Mittelalter in ganz Süddeutschland sowie am Hof in Wien.
Als Liebespflanze hat das Veilchen eine lange Tradition. Im antiken Griechenland waren Veilchen „Blumen der Liebe“: Ihr Duft sollte betörend wirken und die Ausersehene zum Liebesspiel bewegen. Zusammen mit Lavendel, Rosen und Apfelblüten wurden Veilchen in Liebestränken verwendet. Ein Veilchenstrauß gilt als Liebespfand.
Das Veilchen symbolisiert ebenfalls Demut und Bescheidenheit. Auch wenn Marianne Beuchert in ihrem Buch „Symbolik der Pflanzen“ darauf hinweist, dass diese symbolische Zuordnung wohl nicht von einem erfahrenen Gärtner stammen kann, denn: „Kaum eine andere Pflanzenfamilie ist so zäh, so zielstrebig und erfolgreich in ihrem Kampf ums Dasein wie die Violaceae.“
Das Duftveilchen mit seiner anmutenden Erscheinung inspirierte seit jeher zahlreiche Dichter wie Homer, Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Storm und Musiker wie Wolfgang Amadeus Mozart. So wird das Duftveilchen bis heute in unzähligen Gedichten und Musikstücken gewürdigt.
Und auch im Poesiealbum durfte früher das Veilchen nicht fehlen:
„Blüh' wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein. Nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.“
Erfreuen wir uns am Anblick und am Duft der Märzveilchen, oder genießen wir - wie Kaiserin Sissi - kandierte Veilchen. Wer sie nicht aus der Wiener K. u. K. Hofzuckerbäckerei beziehen möchte, kann sie selbst herstellen: Veilchenblüten in halb steifgeschlagenes Eiweiß tunken, mit feinem Zucker dünn bestreuen und auf einem feinen Gitter oder auf Backpapier etwa 2 Tage trocknen lassen.
zuletzt bearbeitet am 18.IV.2011