11.Aug.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Warum auf Halden des Aachener Steinkohlenreviers die Strand–Aster wächst

Joachim Schmitz

Vor 14 Jahren endete mit der Schließung der Zeche Sophia-Jacoba in Hückelhoven die Ära des Aachener Steinkohlenabbaus. Zurück bleiben als markante Landschaftsmarken die Bergehalden. Wie immer, wenn der Mensch Biotope schafft, die es vorher in der Natur nicht gegeben hat, verläuft die Besiedelung durch heimische Arten sehr schleppend, besonders wenn das Bergematerial für Pflanzen problematische Stoffe, z.B. Salze, enthält. Dafür können eingeschleppte, fremde Arten hier oft Fuß fassen. Dies wurde zuerst im Ruhrgebiet beobachtet und wissenschaftlich erfasst. Das Aachener Steinkohlenrevier ist viel kleiner. Deshalb kommen hier auch nicht alle Arten vor, die im Ruhrgebiet nachgewiesen wurden. Sehr alte und rekultivierte bzw. sanierte Halden bieten meist keine ökologischen Besonderheiten mehr. Schon frühzeitig versuchte man, die Halden durch Begrünung zu stabilisieren und zu rekultivieren. Meist geschah dies durch Aufforstungen mit Pioniergehölzen wie Birken, Erlen u.a. Solche Forste sind sehr eintönig. In steilen, trockenen Lagen ist kaum eine Krautschicht ausgebildet, sonst dominieren Brombeergebüsche und in stauenden Lagen Brennnesselherden im Unterwuchs. Lediglich an besonders der Lichteinstrahlung und der Erosion ausgesetzten Stellen konnten sich weder Aufforstungen noch natürlicher Strauchwuchs behaupten. Außerdem finden sich interessante Arten oft in Sickergruben, Wassergräben etc. Deshalb beschränke ich mich im Folgenden darauf, drei Halden vorzustellen, die immer noch bemerkenswerte Arten aufweisen.

ANNA (Alsdorf): Von den drei Halden ist nur die westlichste und jüngste noch wenig bewachsen. Hier wurde eine Begrünung versucht, indem ein mit Saatgut versetztes Schlamm-Erde-Gemisch von der Kuppe abgekippt wurde. Die so entstandenen breiten Bahnen, die schon von weitem erkennbar sind, sind heute durch Massenbestände des allgegenwärtigen Schmalblättrigen Greiskrauts (Senecio inaequidens) gekennzeichnet. In den dazwischen verbliebenen Kahlstellen wächst die Echte Hundszunge (Cynoglossum officinale), die sonst in der Region sehr selten ist. Das Vorkommen dieses Kalkzeigers deutet daraufhin, dass das Bergematerial hier einen deutlichen Anteil Kalkstein enthält. In einer trockengefallenen Fahrrinne konnte ich vor Jahren den Strand-Ampfer (Rumex maritimus) antreffen. Diese nur weitläufig mit dem Sauerampfer verwandte Art ist der bemerkenswerteste Fund auf ANNA. Ob die kurzlebige und unbeständige Art heute noch vorkommt, vermag ich nicht zu sagen.

ADOLF (Merkstein): Die Halde ist in großen Teilen aufgeforstet oder zugewachsen. Wegen der extremen Erwärmung des schwarzen Gesteins im Sommer sind aber zunächst mehrere größere Flächen, vor allem am Südfuß und auf der Kuppe, frei geblieben. Besonders die windgeschützten Stellen am Haldenfuß können sehr heiß werden. Hier wachsen Felsrasen und leben auch entsprechend wärmeliebende Tiere wie die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens). An solchen Stellen wurden mehrere Populationen des Klebrigen Gänsefußes (Dysphania botrys) gefunden. Die vom Mittelmeer stammende Art ist auch aus dem Ruhrgebiet bekannt. Inzwischen ist vermutlich durch Vögel Sanddorn eingeschleppt worden. Der Dornenstrauch hat sich aggressiv ausgebreitet und die offenen Stellen stark zurückgedrängt. Den Klebrigen Gänsefuß gibt es noch. Seltene Arten der Felsrasen, die 1995 noch nachgewiesen werden konnten, sind verschwunden. Ebenfalls aus dem Mittelmeerraum stammt der Glanzlose Pastinak (Pastinaca sativa ssp. urens), ein gelb blühendes Doldengewächs. Diese seltene Sippe fällt schon alleine durch den bis zu mannshohen Wuchs auf. Inzwischen hat sie sich vom Zechengelände weiter ins Umland ausgebreitet, z.B. auf Straßenböschungen um Merkstein.

EMIL MAYRISCH (Siersdorf): Die Halde wurde nördlich der Zeche aufgeschüttet, so dass sie näher an Setterich und Freialdenhoven als an Siersdorf liegt. Es ist die jüngste und größte Halde. Die Ost- und Nordost-Flanke sind anscheinend die ältesten Teile der Halde; sie sind weitgehend aufgeforstet. Auf der Halde und noch mehr am Fuß der SW-Flanke gibt es zahlreiche verdichtete Stellen mit mehr oder weniger temporären Gewässern wie Schlammteiche, Absetzgruben, Gräben usw.

Bemerkenswert ist hier der hohe Anteil an salztoleranten Arten oder ausgesprochenen Salzzeigern (Halophyten). Einige Arten passen sich durch besondere Wuchsformen an, z.B. dickliche, fast sukkulente Blätter. Es gibt aber auch zwei echte Salzzeiger: Der Gewöhnliche Salzschwaden (Puccinellia distans) ist ein eher unscheinbares Gras. Ausgesprochen spektakulär ist dagegen das Massenvorkommen der Strand-Aster (Aster tripolium). Während die Art an ihrem Wildstandort an den Meeresküsten kaum über 50cm hoch wird, können die Pflanzen hier weit größer werden. Dies hat man übrigens auch an vergleichbaren Halden im Ruhrgebiet beobachtet. Die Strand-Aster hat sich auch in der Umgebung der Halde ausgebreitet, sie dringt hier sogar in Rübenäcker ein.

Mit dem hohen Anteil an Salzzeigern zeigt die Halde von Emil Mayrisch von allen Halden des Aachener Reviers die deutlichsten Parallelen zu den Halden im Ruhrgebiet. Die dort auch vorkommende Strandsimse (Bolboschoenus maritimus) und der Klebalant (Inula graveolens) haben es allerdings nicht ins Aachener Steinkohlenrevier geschafft.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.IX.2011