18.Aug.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Gärtnern: Der Versuch, dem Paradies auf Erden ein Stück näher zu kommen.

Karl Josef Strank

An heißen Tagen im Schatten von Bäumen sitzen, in Muße das Leben genießen, versorgt mit kalten Getränken, erfrischendem Obst und einer guten Lektüre vor sich hin träumen: Dieses Bild erinnert an den paradiesischen Urzustand, der für uns geschaffen war, denn wie heißt es in der Bibel: „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen hinein.“ Bekanntermaßen sind diese Zeiten vorbei, aber dennoch versuchen wir Menschen immer wieder hartnäckig mit den Gärten, die wir im Schweiße unseres Angesichts schaffen, der Vorstellung eines Paradieses auf Erden näher zu kommen.

Hort der Fülle
Schon Homer beschreibt in der Odysse den Garten des Alkinoos als einen Hort der Fülle, wenn er dichtet: „Allda wuchsen Bäume, hohe, mit reichlichem Bluste, Birnen und Granaten und Äpfel mit prangenden Früchten, süße Feigen sodann und Oliven in reichlicher Blüte. Niemals sterben die Früchte ab und fehlen hier niemals, so im Sommer wie Winter, das ganze Jahr durch; immer wehet ein linder West, lässt da die Blüten erknospen, zeitigt dort die andere. Birnen reifen auf Birnen, Äpfel auf Äpfel, Trauben auf Trauben, Feigen auf Feigen.“ Legendär, noch älter, und in der Erinnerung als eines der sieben Weltwunder haften geblieben, sind die hängenden Gärten der Königin Semiramis. Vergil berichtet von „Gärten, duftend von güldenen Blüten, mögen sie hegen / Und der Hüter vor Dieben und Vögeln mit weidener Sichel, / Vom Hellesponte Priapus (Fruchtbarkeitsgott aus Kleinasien), er möge sie schützend bewahren!“

Das Idealbild einer römischen Villa, die aufs Innigste mit dem Garten verbunden war, zeichnet Plinius der Jüngere, wenn er sein Landgut Tusculum beschreibt. Nachwirkungen sind bis heute erhalten geblieben.

In seinem Buch „Das Jahr des Gärtners“ von 1929 unterscheidet der tschechische Dichter Carel Čapek den Gärtner vom Nichtgärtner, wenn er meint, bevor man ein richtiger Gärtner werden kann, sei „eine gewisse Reife, besser gesagt, ein gewisses Alter nötig.“ Wenn man jung ist, „dann ist man wie Adam vor dem Sündenfall. Man kostet von den Früchten des Lebens, die einem nicht gehören und glaubt, einen Blume sei das, was man im Knopfloch trägt oder seiner Angebeteten schenkt.“ Für den Gärtner hingegen ist eine Blume das, „was überwintert, was geharkt und gedüngt, gegossen und umgepflanzt, beschnitten und gestutzt, angebunden und von Unkraut, Keimlingen, vertrockneten Blättern, Blattläusen und Mehltau befreit werden muss.“ Čapek charakterisiert den Gärtner als „Adam, der sich wieder mit dem Element verbunden hat, aus dem er gemacht ist.“ Denn wie heißt es in der Bibel: „bis du wieder zu Erde werdest, davon du gekommen bist.“

Hieraus erschließt sich die Mühe, die ein Garten kostet, was fast an die Mühen eines Sisyphos erinnert, der auch nie nachließ, die immer wiederkehrende - scheinbar sinnlose - Arbeit immer wieder auf sich zu nehmen. Nirgendwo lässt sich besser über das Wesen der menschlichen Existenz nachdenken als im Garten.

Zufluchtsort
Wenn die Hände beschäftigt sind, kann der Geist beschwingt fliegen. Nicht von ungefähr haben viele Arbeiten im Garten etwas Kontemplatives und Meditatives. Ohne Gärten würde den Menschen Wesentliches fehlen.

Der Garten diente und dient aber auch oft als Zufluchtsort, so im Decamerone Boccaccios, einer Sammlung von 100 Novellen, in der sich junge Frauen und Männer aus dem von der Pest, dem schwarzen Tod, heimgesuchten Florenz in eine Villa im nahen Hügelland zurückziehen, Spaziergänge unternehmen, Geschichten erzählen, feiern und tanzen.

Gärten inspirierten Dichter zu allen Zeiten. Goethe entzog sich seinen gesellschaftlichen Pflichten in Weimar oft, indem er in sein Gartenhaus floh und dort Tage verbrachte. Offensichtlich zog er Genugtuung aus dem Werk seiner Hände, wenn er dichtete: „Gib das Tagwerk meiner Hände / Gutes Glück, daß ich´s vollende. / Sei ein Bild der Garten hier / Pflanzt ich ahnungsvolle Träume, / Jetzt noch Stangen, diese Bäume / Geben einst noch Schatten mir.“ Der Optimismus eines Gärtners und die Sinnhaftigkeit der Arbeit für nachfolgende Generationen schwingen in diesen Zeilen mit.

Hermann Hesse hat Stunden im Garten verbracht, Blumen zu gießen, Sonnenblumen anzuziehen, Tomaten aufzubinden, Trauben zu ernten und im Herbst das Laub zu brennen. Viele Gedanken seines Spätwerks, des Glasperlenspiels, hat er im Garten durchgespielt und konzipiert, bevor er sie dann zu Papier brachte. Gartenarbeit ist höchst kreativ.

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zuletzt bearbeitet am 17.IX.2011