14.Aug.2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Mariendistel: Ihre samenartigen Früchte stärken Leber und lösen Krämpfe

Karl Josef Strank

Im Garten keimt gelegentlich auf frischer Erde eine Pflanze mit ovalen Keimblättern, die wie bei vielen anderen mehr oder minder normal aussehen. Aber schon die Folgeblätter zeigen mit ihren Stacheln und der weißen Marmorierung, dass sich hier eine distelartige Pflanze mit auffällig weißen Musterungen im Blatt entwickelt.

Eine derartige Panaschierung (Mehrfarbigkeit) oder Variegation wird in der Regel bei Zierpflanzen ausgelesen, weil Züchter der Meinung sind, dass mehrfarbiges Laub dem Geschmack des Publikums entspricht. Bei der Mariendistel, Silybum marianum, gehört diese Panaschierung, die sich bei den Folgeblättern hauptsächlich entlang der Blattnerven zeigt, natürlicherweise als auffälligstes Merkmal zur Charakteristik der Art. Diese markante Zeichnung blieb als Signatur natürlich nicht unbeachtet. So sollen nach einer Legende die weißen Flecken auf den Blättern daher kommen, dass die Muttermilch Marias beim Stillen des Jesuskindes auf die Blätter tropfte.

Die Pflanze erreicht eine Höhe von bis zu 1,50 Metern mit rund um den Stängel angeordneten und ausgebreiteten Blättern, die mit sehr spitzen Stacheln bewehrt sind und empfindlich stechen. Den Namen Distel trägt sie daher zu Recht. Die Mariendistel ist ein- bis zweijährig, das heißt nach Blüte und Frucht stirbt die ganze Pflanze ab. Sie bevorzugt wärmere Gegenden und trockene Standorte. Sie stammt aus dem Mittelmeerraum, Kleinasien und Nordafrika und wächst bei uns in Gärten und speziellen Kulturen.

Die rosaroten bis violetten, kugelförmigen Blütenköpfchen mit den kräftigen äußeren Hüllblättern, die in einen gelben, zurückgebogenen Dorn auslaufen, erscheinen im Juli und August. Aus ihnen entwickeln sich bis September die Früchte mit den Samen. Diese haben zunächst noch einen feinen Haarkranz wie beim Löwenzahn, der aber bald abfällt und nur die Samen mit ihrer harten und glänzenden Schale zurücklässt. Zu Heilzwecken werden diese Samen eingesetzt, wohingegen das Mariendistelkraut gewöhnlich keine Verwendung findet.

Bereits im Mittelalter war die Pflanze in Gebrauch. Hildegard von Bingen empfiehlt sie gegen Vergiftungen und Gelbsucht. Seit alters her hat man der Mariendistel krampflösende und die Gallensekretion anregende Wirkung nachgesagt. In den Kräuterbüchern wird ein Aufguss der Samen empfohlen zur Anregung des Milchflusses – diese arzneiliche Anwendung wird aus der Signatur und der Legende über die Muttermilch Marias abgeleitet – ferner gegen Stechen im Leib, bei Blutungen, Krämpfen oder fliegender Hitze. Der Landarzt Rademacher erkannte 1848 die Bedeutung einer Tinktur aus den Samenkörnern, Tinctura Cardui Mariae (Rademachersche Stechkörnertinktur) als Lebertherapeutikum und fügte damit die bis heute wichtigste Indikation hinzu

Untersuchungen der Inhaltsstoffe der Mariendistel haben ergeben, dass die Pflanze Flavon, Flavonoide, biogene Amine, Gerbstoff, Farbstoff, Silymarin (ein Gemisch aus mehreren Flavonolignanen mit der Hauptkomponente Silibinin) und aetherische Öle enthält. Die Wirkung dieser Stoffe kann mit adstringierend, anregend, entgiftend, harntreibend, krampflösend, leberstärkend, schweißtreibend, tonisierend beschrieben werden. Mehrere Studien bestätigen die leberschützende Wirkung der Mariendistel. Der Extrakt aus den Samenkörnern beugt nicht nur Leberschäden vor, sondern hat auch die Kraft, eine angegriffene Leber zu regenerieren. Diese Wirkung beruht darauf, dass Silymarin freie Radikale abfängt, die bei der Entgiftung in der Leber entstehen. Dass diese unschädlich gemacht werden, verhindert seinerseits die Zerstörung der Wände in den Leberzellen. Mediziner setzen daher Präparate aus der Mariendistel zur ergänzenden Behandlung von chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen ein. Aber man sollte davon keine Wunderdinge erwarten, denn eine Leberzirrhose kann damit nicht geheilt werden, wenn nicht gleichzeitig auch die Ursachen der Erkrankung, wie fettreiches Essen und übermäßiger Alkoholgenuss, bekämpft werden.

Neueste Untersuchungen belegen zudem, dass der Mariendistel möglicherweise bei bestimmten Krebsarten eine antiproliferierende, das Krebswachstum hemmende Wirkung zugeschrieben werden kann und damit neue Perspektiven in der Krebstherapie entwickelt werden könnten.

Alle Gifte im Körper werden über die Leber abgebaut. Da Silymarin die Leber unterstützt und schützt, stellt die Mariendistel-Tinktur auch eines der wenigen therapeutischen Präparate bereit, eine Vergiftung mit Knollenblätterpilzen sinnvoll und einigermaßen wirksam zu behandeln.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.X.2014