25.Sept.2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


In Vergessenheit geratene Blattgemüse: Gartenmelde und Blutmeier

Ruth Gestrich-Schmitz

Spinat und Mangold sind Blattgemüse, die aus unseren Gärten nicht wegzudenken sind. Aber wer kennt noch Gartenmelde und Blutmeier? Seit der Spinat im 12. Jahrhundert durch die Araber nach Spanien eingeführt wurde und dann bis nach Deutschland gelangte oder von den Kreuzfahrern aus dem Orient mitgebracht wurde, trat er seinen Siegeszug hierzulande an und verdrängte mit der Zeit diese alten Blattgemüse.


Problemlos zu kultivieren: Gartenmelde (links) und Blutmeier. Diese alten Blattgemüse wurden vom Spinat verdrängt.

 

Dabei ist die Gartenmelde (Atriplex hortensis), wie Mangold und Spinat zur Familie der Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) gehörend, eine problemlos zu kultivierende Pflanze. Im Gegensatz zum Spinat, der längere Zeit im Rosettenstadium verweilt, wächst sie kontinuierlich in die Höhe und kann durchaus im freien Stand bis zu zwei Meter erreichen. Die schnellwüchsige, einjährige Pflanze kann vom Frühjahr bis in den Frühsommer ausgesät werden. Nach sechs bis acht Wochen ist die erste Ernte möglich. Entweder werden die jungen, zarten Pflänzchen ganz geschnitten oder die großen Blätter abgezupft. Sie haben ein mildes Aroma und können roh als Salat oder gedünstet als Gemüse gegessen oder als Suppe zubereitet werden. Lässt man bei der Ernte ein bis zwei Blattpaare stehen, treibt die Pflanze an den Blatt-achseln wieder aus und weitere Ernten der dreieckigen bis herzförmigen, bis zu 18 Zentimeter langen, leicht bitter schmeckenden Blätter sind im Sommer möglich. Will man eigene Samen ernten, sollte man die Melde blühen lassen: Aus den unscheinbaren grünen oder rotbraunen Blüten entwickeln sich im September/Oktober Samen mit kreisrunden, flachen Fruchthüllen.

Im griechischen und römischen Altertum gehörte die Gartenmelde zu den kultivierten Gemüsepflanzen. Im antiken Griechenland bezeichnete man sie wohl wegen der gelbgrünen, münzenartig aussehenden Früchte oder wegen der gelben Blätter als Chrysolachanon, was „Goldgemüse“ bedeutet. In der Pflanzenliste des Capitulare de villis, der Landgüterverordnung Karls des Großen, ist die Gartenmelde unter der Bezeichnung adripias aufgeführt. Neben ihrer Verwendung als Gemüsepflanze, die wertvolle Spurenelemente wie Eisen, Kupfer, Mangan und Zink enthält, wurde sie in der Volksmedizin wegen ihrer blutreinigenden Wirkung zur Behandlung von Blasen-, Nieren- sowie Lungenleiden geschätzt.

Nicht nur für das leibliche Wohlbefinden verdient die leicht zu ziehende und ertragreiche Gartenmelde Beachtung, sie ist auch hübsch anzusehen: Neben den grünen und gelben Sorten geben die rot- und violett-blättrigen Sorten einen schönen Farbkontrast in Sommerbeeten.

Eine weitere vom Spinat in die Bedeutungslosigkeit verdrängte Pflanze ist der im Capitulare de villis blidas genannte Meier (Amaranthus blitum) aus der Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae), eine ebenfalls seit der Antike kultivierte Gemüsepflanze. Amaranthus blitum ssp. lividus stammt aus dem Mittelmeerraum, wächst aufrecht und hat bis zu neun Zentimeter lange Blätter. Charakteristisch ist die intensive Rotfärbung der ganzen Pflanze, die ihr den Namen „Blutmeier“ verliehen hat, im Rheinland auch Blootkrüttche genannt. Auch wenn der Blutmeier wegen seines Gehalts an Provitamin A, Vitamin C und Eiweiß (ca. vier Prozent) geschätzt wurde, seine Ernte ist mühsam, denn die im Vergleich zum Spinat kleinen Blätter müssen einzeln von den Stängeln gepflückt werden und schmecken auf Grund der in ihnen enthaltenen Saponine leicht bitter. Arzneilich hatte Amarantus blitum wohl kaum eine Bedeutung. Dioskorides (1.Jh.n. Chr.) schreibt: „…wird auch gessen/ wie die Kochkräuter/erweychet den Bauch und Stulgang. Hat aber kein ander Krafft in der Arzney zu gebrauchen.“

Nah verwandte Arten wie Amaranthus caudatus werden wegen ihrer stärkehaltigen Samen, ihres wertvollen lysinreichen Eiweißes und dem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und Mineralstoffen als nahrhafter Getreideersatz angebaut. Amaranth, auch Inka-Korn genannt, gehört in Süd- und Mittelamerika seit rund 3000 Jahren zu den Grundnahrungsmitteln und hat bei uns vor allem in Bioläden Einzug gehalten. Die glutenfreien Amaranth-Körner mit ihrem feinen nussigen Aroma eigenen sich als Zugabe zu Müsli, zu Brot, als Suppeneinlage oder gekocht als Grütze.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.X.2014