1.Sept. 2016
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Queller im Raum Aachen? Ja allerdings nur auf dem Teller!
Astrid von Reis
Normalerweise trifft man diese bis 30 cm hoch wachsende Pflanze mit dem deutschen Namen Queller nicht im Raum Aachen an. Sie braucht Salz- beziehungsweise Meerwasser zum Leben und die Zeiten, wo sich hier ein Meer befunden hat, sind nun mal sehr lange vorbei. So wächst diese Pflanze in der Regel nur entlang der Meeresküsten in Höhe oder unterhalb der Tidehochwasserlinie, im Wattenmeer, in Salzmarschen und an Ufern von Salzseen. Ohne einen bestimmten Salzgehalt und eine Wassersättigung des Bodens (meist Schlick oder Sand) kann sie nicht existieren. Sie gehört zu den obligaten Halophyten (Salzpflanzen, bei denen Salz Pflicht ist) und ist in entsprechenden Bereichen der Nordhalbkugel und in Südafrika verbreitet. Die bekanntesten Standorte in Deutschland sind im friesischen Naturpark Wattenmeer. Sie ist eine Pionierpflanze der Verlandungszonen und hat eine große Bedeutung hinsichtlich der Sedimentation von Schwebstoffen. „Und trotzdem“ auch bei uns ist sie hin und wieder zu sehen: Ihre dicken, wasserspeichernden, sukkulenten Stängel mit kleinen, kaum zu sehenden schuppenförmigen Blättern, die die Achsen einschneiden und die Pflanze aussehen lassen wie kleine Säulenkakteen, sind immer wieder mal in den Auslagen von Fischabteilungen beziehungsweise von Fischgeschäften unter ihrem lateinischen Gattungsnamen „Salicornia“ zu finden. Als Gemüsebeilage mit dem edlen Namen „Meeresspargel“ ist sie gedacht zu Fischgerichten, zum „Salzwiesenlamm“ oder als Salat roh oder auch gedünstet. Ihr Geschmack salzig, mit einer pfeffrigen Note!
Carl von Linné hat die Gattung „Salicornia“ als erstes beschrieben. Die Zahl der Arten weltweit schwankt in der Literatur (10 30). Sie sind schwer zu bestimmen und erst molekulargenetische Untersuchungen bringen genaue Ergebnisse. Von Südspanien bis Nordskandinavien kommen wohl an den Küsten neben „Salicornia europaea L.“ noch zwei weitere Arten mit jeweils einigen Unterarten vor.
„Salicornia“ gehört zur Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Der hohe Salzgehalt und die gebogenen Spross-Enden haben der Gattung den Namen eingebracht, er heißt übersetzt so viel wie „Salzhorn“ (lat. sal, salis = Salz, córnu = Horn). Früher war die Pflanze nicht nur in der Küche bekannt. Die Asche des Quellers enthält sehr viel Mineralstoffe, allein etwa 15 Prozent Soda wurde aus ihr gewonnen. Dieses wurde genutzt für die Seifenherstellung und bis ins 19. Jahrhundert für das Herabsetzen des Schmelzpunktes bei der Glasherstellung. Letzteres brachte ihr auch den Namen „Glasschmelz“ ein.
Der deutsche Name Queller ist auf die Fähigkeit zurückzuführen, die ihm das Überleben in den salzigen Böden ermöglicht. Die Pflanze nimmt Salz aus dem Boden auf, um nicht durch die osmotische Saugkraft des Salzwassers auszutrocknen und Wasser aufnehmen zu können. Mit diesem Wasser erhöht sich aber auch der Salzgehalt in der Pflanze und sie nimmt zur Regulation zusätzlich Wasser in ihr Gewebe auf, damit die Salzkonzentration erträglich bleibt sie quillt auf, bis es nicht mehr geht. Sieben Monate wird sie maximal alt.
Die endständigen, ährenartigen Blütenstände mit im August blühenden, durch Wind und Wasser bestäubten zwittrigen Blüten entlassen nach der Fruchtreife und dem Absterben der nun herbstlich rot- gelb gefärbten Pflanze im Oktober bis zu 10 000 Samen pro Pflanze. Diese sind sehr ölhaltig und nahrhaft, sodass sich vor allem Singvögel wie Bergfinken, Berghänflinge, Birkenzeisige am Spülsaum gerne über sie hermachen. Für die Keimung in unseren Breiten im April benötigen die Samen Regen- beziehungsweise Süßwasser. Doch bereits der Keimling und die schnell heranwachsende Jungpflanze benötigt das salzhaltige Wasser.
Doch wo kommt der Queller für die Teller her, da „Salicornia“ wie die gesamte angrenzende Salzwiesenvegetation der Wattenmeere in Deutschland unter Naturschutz steht? Die Angebote sollen aus kommerziellem Anbau in Frankreich, Israel und Mexiko kommen.
zuletzt bearbeitet am 7.X.2016