15.Sept. 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wie kommt ein Bischofsstab in den Garten? Der Spreuschuppige Wurmfarn

Joachim Schmitz

Zu den wenigen Farnen, die es ins Sortiment von Staudengärtnereien geschafft haben, gehört der Spreuschuppige Wurmfarn (Dryopteris affinis im weiteren Sinne). Der besondere Zierwert liegt im Austrieb der Wedel im Frühjahr. Die Blattspitze bleibt dabei lange eingerollt und zeigt so ihre dicht mit gelbbraunen Schuppen besetzte Unterseite. Das erinnert mit ein Bisschen Fantasie an einen goldenen Bischofsstab. Erst die ausgewachsenen Wedel neigen sich zu Boden und nehmen dann die normale Blattstellung ein.

Als botanische Rarität gibt es den Spreuschuppigen Wurmfarn auch wild im Rheinland und zwar in der Form borreri. Die wurde früher als Unterart zu D. affinis gestellt, wird aber heute meist als eigene Art Dryopteris borreri angesehen. Die Art ist leicht mit dem überall vorkommenden Männlichen Wurmfarn (D. filix-mas) zu verwechseln. Der Rand der Fiederchen ist allerdings weniger gezähnt bis ganz gerade und benachbarte Fiederchen überlappen sich oft. Das sicherste Merkmal findet man auf der Unterseite der Fiedern. Die Basis des Fiederstielchens ist schwarz-violett gefärbt.

Die Art bevorzugt atlantisches Klima und hohe Luftfeuchtigkeit. Fundorte sind meist bewaldete Nordhänge, die sowohl im Winter gegen Frost wie im Sommer gegen zu starke Trockenheit Schutz bieten. Ökologisch ist die Art charakteristisch für den Waldmeister-Buchenwald. Hier ist der Boden nicht ganz so mager und sauer wie beim Hainsimsen-Buchenwald, der in der Eifel und im Bergischen der verbreitetste Waldtyp ist. Es reicht aber auch nicht für anspruchsvollere Waldtypen wie den Haargersten- oder den Orchideen-Buchenwald, wie man sie z.B. in den Kalkmulden der Eifel findet. Die passenden Bedingungen sind selten und schon daraus ergibt sich, dass die Vorkommen oft kleinflächig und individuenarm sind. Die größte Population, die mir bekannt ist, wächst auf dem Klausberg im Aachener Stadtwald.

Als uraltes Pflanzengeschlecht haben Farne eine lange Entwicklung hinter sich. Heutige Arten haben oft eine komplizierte Entstehungsgeschichte durchlaufen. So besitzt der normale Männliche Wurmfarn 164 Chromosomen. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich um 4 Sätze a 41 Chromosomen handelt, die von zwei verschiedenen Elternarten stammen. Die primäre Hybride der Elternarten mit 2x41 Chromosomen war unfruchtbar. Irgendwann ist es aber durch eine Mutation zur Verdoppelung der Chromosomensätze gekommen. Dadurch ist eine neue Art entstanden, die sich wieder ganz normal sexuell fortpflanzen kann.

Bei Dryopteris borreri ist es noch komplizierter. Die Art besitzt 123 Chromosomen. Eine einfache Rechnung macht klar: das müssen 3 Sätze a 41 Chromosomen sein. Die Ergebnisse von Kreuzungsexperimenten haben nahegelegt, dass zwei davon vom Männlichen Wurmfarn stammen. Das würde dann auch die große Ähnlichkeit der beiden Arten erklären. Aber wo kommt der dritte Satz her?

Auch die Vermehrung bei D. borreri ist besonders. Mit 3 Chromosomensätzen ist eine normale Reifeteilung und Sporenbildung nicht möglich. Stattdessen enthalten die Sporen dieselben Chromosomensätze wie die Mutterpflanze. Die Sporen keimen zwar normal aus, aber auf dem Vorkeim werden keine Geschlechtszellen gebildet, sondern irgendeine Zelle wächst wieder zur einer erwachsenen Farnpflanze aus. Diese Art der Vermehrung nennt man Apomixis.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist D. borreri also eine Hybride aus dem Männlichen Wurmfarn und einer unbekannten Art, von der die Merkmale schwarzes Fiederstielchen und Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Vermehrung stammen. Man kann nur vermuten, dass diese unbekannte zweite Elternart in der Eiszeit ausgestorben ist.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 7.X.2016