30.März 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Gelbsterne - eine noch zu entdeckende Gattung der frühblühenden Zwiebelpflanzen

Joachim Schmitz

Die ersten Frühjahrsboten im Garten sind Schneeglöckchen, Crocusse, Blausterne und Arten der Gattungen Chionodoxa und Puschkinia. Sie überwintern alle mit Zwiebeln, in denen sie Nährstoffe speichern, so dass die neuen Triebe früh austreiben können. Die Überwinterung mit Zwiebeln deutet allerdings nicht auf eine engere Verwandtschaft hin. Innerhalb der großen Gruppe der Einkeimblättrigen Pflanzen gibt es mehrere Verwandtschaftslinien, in denen sich dieses Merkmal nach neuesten molekularbiologischen Untersuchungen anscheinend unabhängig voneinander entwickelt hat.

Die meisten stammen aus Gebieten vom östlichen Mittelmeerraum bis in die Bergsteppen Innerasiens. Anscheinend ist die Bildung von Zwiebeln im dortigen sehr kontinentalen Klima eine erfolgreiche Überwinterungsstrategie. Die Gattung Gelbstern (Gagea) ist hier mit über hundert Arten vertreten. Die kleinen Pflanzen mit überwiegend gelben Blütensternen können es vom Zierwert durchaus mit Crocus und Co. aufnehmen. Für mich ist es unverständlich, dass nie versucht wurde, Gelbsterne in gärtnerische Kultur zu nehmen. Gelbsterne gehören übrigens auch nach den erheblichen Umwälzungen in der Pflanzensystematik der jüngsten Jahre immer noch zu den Liliengewächsen im engsten Sinne, sind also z.B. mit Tulpen verwandt.

Im Rheinland gibt es vier heimische Arten. Am häufigsten ist der Wald-Gelbstern (Gagea lutea). Er bevorzugt Auwälder und kommt vor allem im Uferbereich kleinerer Fließgewässer vor (in der Eifel z.B. an den Oberläufen von Rur, Inde und Erft, im Niederbergischen z.B. im Anger- und im Neandertal). Die Blütenblätter sind außen grünlich und fallen kaum auf. Nur bei Sonnenschein öffnen sich die Blüten und zeigen ihre leuchtendgelbe Oberseite.

Vom Aussehen ähnlich, aber extrem selten ist der Wiesen-Gelbstern (Gagea pratensis). Die Art ist im Rheinland an der absoluten Westgrenze ihrer Verbreitung angekommen; im Rheinland wird sie erst im Nahegebiet häufiger.

Mit den bis zu zehn gelben Blütensternen ist der Acker-Gelbstern (Gagea villosa) wohl der attraktivste heimische Gelbstern. Es verwundert, dass er nie in Kultur genommen wurde. Vielleicht liegt das daran, dass er vor der extremen Intensivierung der Landwirtschaft in den vergangenen 60 Jahren auf mageren Ackerböden relativ häufig war und im zeitigen Frühjahr sogar Massenaspekte ausbilden konnte. Und was häufig ist, nimmt man sich eben nicht in den Garten. Heute ist die Art viel seltener geworden und hat sich auf lückige Stellen in Magerrasen oder Wegböschungen und Erdanrisse in deren Umfeld geflüchtet. In Weingärten ist die Art nicht so stark zurückgegangen, so dass man sie hier auch heute noch finden kann, oft mit andern Zwiebelpflanzen, z.B. in Gesellschaft des Doldigen Milchsterns (Ornithogalum umbellatum).

Acker-Gelbstern (Gagea villosa)

Ein botanisches Kleinod ist der Felsen-Gelbstern (Gagea bohemica). Er treibt im Herbst die ersten Blätter, blüht im sehr zeitigen Frühjahr, zieht dann schnell ein und hat den ganzen Sommer Vegetationsruhe. Dieser Rhythmus legt nahe, dass die Art aus dem Mittelmeerraum stammt, wo die Vegetationsruhe im Sommer und nicht wie bei uns im Winter liegt. Dementsprechend kommt die Art auch nur an äußerst wärmebegünstigten Stellen vor, z.B. auf Felskuppen an der Untermosel zwischen den Dörfern Pommern und Klotten. Hier wächst der Felsen-Gelbstern auf flachgründigen, ebenen Felsböden. Das können sogar Aussichtspunkte mit Bänken und die Umgebung von Wanderhütten sein. Hier hält die Pflanze selbst Tritt und Überdüngung aus. Offensichtlich ist das Mikroklima hier so extrem, dass andere ökologische Faktoren keine Rolle mehr spielen.

 

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zuletzt bearbeitet am 12.IV.2017