11. Jan. 2018
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Staatswald Burgholz - ein forstwirtschaftliches Experiment im Großmaßstab
Joachim Schmitz
Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Waldspaziergang und treffen mitten im Laubmischwald auf einen unbekannten Nadelbaum, der sich nach dem Bestimmen als Rauchzypresse (Calocedrus decurrens) herausstellt. Sie kommen wieder mit einem guten Bestimmungsbuch für Gehölze und identifizieren auch noch Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum), Riesen-Tanne (Abies grandis), Kolorado-Tanne (Abies concolor), Schirmtanne (Sciadopitys verticillata), Araragi-Hemlock (Tsuga sieboldii) und etliche andere mehr.
Im Burgholzer Wald im Südwesten Wuppertals kann Ihnen das tatsächlich passieren. 1958 hat der damalige Revierförster Heinrich Hogrebe angefangen, im großen Stil versuchsweise exotische Nadelbäume anzupflanzen. Hogrebe hatte schon vor dem II. Weltkrieg neben der normalen Försterausbildung auch einen Abschluss in - wie man das damals nannte - Kolonialforstwirtschaft. Vielleicht hat ihn das auf die Idee gebracht, es mal mit Exoten zu versuchen.
Dazu muss man wissen, dass der wirtschaftliche Ertrag in Staatsforsten lange Zeit absoluten Vorrang vor allen anderen Funktionen des Waldes hatte. Erst seit 1980 ist im Landeswaldgesetz von Nordrhein-Westfalen der wirtschaftliche Ertrag dem ökologischen Wert und der Erholungsfunktion von Wäldern gleichgestellt worden. 1958 war Ökologie noch nicht mal als Begriff bekannt. Wie in großen Bereichen des Rheinischen Schiefergebirges stockt auch im Burgholz ein Rotbuchenwald auf geschiefertem Tonstein und Grauwacke. Rotbuche (Fagus sylvatica) liefert zwar ein relativ hochwertiges Holz, wächst aber auch sehr langsam. Deshalb suchte Hogrebe Gehölze, die auf diesen Böden höhere Erträge abwerfen.
Das Versuchs-Arboretum in Burgholz ist selbst in der Fachszene etwas schief angesehen worden. Das änderte sich allerdings schlagartig in den 1980er-Jahren, als das sogenannte Waldsterben zum Thema wurde. Damals fürchtete man, dass durch die Emission von Schwefel- und Stickstoffoxiden, die mit dem Wasser in Wolken zu Schwefliger Säure und Salpetersäure abreagieren, heimische Baumarten absterben könnten. Das Phänomen wurde als „Saurer Regen“ bekannt. Da war es dann interessant, ob es fremdländische Gehölze gibt, die diesen Belastungen besser standhalten. Damals ist der Burgholz auch ganz offiziell als Landesversuchsanlage des Landes Nordrhein-Westfalen anerkannt worden.
Einen neuen Schub gab es dann in jüngster Vergangenheit durch die Klimaerwärmung. Es zeichnet sich ja immer deutlicher ab, dass in Zukunft die Sommer wärmer und auch ausgesprochene Hitzetage häufiger werden. Das wird natürlich Auswirkungen auf den Baumbestand haben. Z.B. gibt es Überlegungen, die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) verstärkt anzubauen.
Aus ökologischer Sicht verursachen mir solche Pläne allerdings starke Bauchschmerzen. Wenn es denn so kommt, wie die Klimaexperten vorhersagen, wird es einen natürlichen Wandel in der Baumzusammensetzung geben. Wenn das Klima trockener wird oder es zumindest längere Dürrezeiten gibt, werden vielleicht Rotbuchen und Eschen zurückgehen, dafür Trauben-Eichen und Kiefern zunehmen. Im Rheinland gibt es schon lange keine Urwälder mehr; insofern weiß man gar nicht so genau, wie hier ein natürlicher Wald aussieht. Außerdem brauchen solche Umwälzungen Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Insofern sind solche Prognosen sehr spekulativ. Sicher wird die Natur das aber selber regeln. Dafür braucht es keine künstlich eingebrachte Gehölze. Sicher wird aber auch der Wirtschaftsertrag dieser Wälder zurückgehen.
Da schließt sich der Kreis. 1958 hat Hogrebe angefangen, mit exotischen Baumarten zu experimentieren, um den Wirtschaftsertrag von Forsten zu steigern. Im Zeichen des Klimawandels ist die Diskussion wieder an diesem Punkt angekommen.
zuletzt bearbeitet am 28.III.2018