8. Nov. 2018
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Steckrübe - Ananas des Nordens
Ruth Gestrich-Schmitz
Jetzt, wo die Temperaturen sinken, stellt sich allmählich wieder die Lust auf den Genuss winterlicher Gemüse ein. Viele Kohlsorten wie Weiß- und Rotkohl, Rosen-, Grün- und Blumenkohl oder Kohlrabi gehören dazu. Weniger bekannt ist heutzutage die Steckrübe (Brassica napus ssp. rapifera bzw. ssp. napobrassica), auch Kohlrübe, Wru(c)ke oder Bodenkohlrabi genannt. Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) hat die Steckrübe zum Gemüse der Jahre 2017/18 erkoren und „möchte die Menschen dazu ermuntern, sich vermehrt der Steckrübe anzunehmen, in Garten und Küche zu experimentieren und das Wissen über dieses klassische Gemüse in die Welt zu tragen. Die Steckrübe ist ein Gemüse mit Tradition, aber auch mit Zukunft.“
Die Steckrübe wird in Europa seit dem 16./17. Jh. angebaut. Woher sie stammt, ist nicht klar, vielleicht aus dem Mittelmeergebiet vorrömischer Zeit oder aus Skandinavien. Botanisch gesehen ist die Steckrübe eine Unterart der Art Raps (Brassica napus), die eine Rübe ausbildet. Hierbei handelt es sich um eine Sprossrübe, an deren Entstehung sowohl die Sprossachse als auch das darunterliegende Hypokotyl sowie die Wurzel beteiligt sind.
Die Steckrübe ist ein traditionelles Gemüse, das in kühlem Klima auf humushaltigen, lehmigen Böden gut gedeiht. Die Aussaat erfolgt von Mitte Mai bis Mitte Juni, die Ernte Ende Oktober/Anfang November. Die Steckrübe ist eigentlich eine zweijährige Pflanze, die jedoch nur einjährig kultiviert wird. Im ersten Jahr entwickelt sich eine Blattrosette mit blaugrünen, am Rand gewellten Blättern und einer Sprossrübe. Erntet man sie nicht ab, entwickelt die Pflanze in wintermilden Lagen im zweiten Jahr einen Blütenstand, der dem des Rapses sehr ähnelt. Die Nektar-reichen gelben Blüten sind bei Insekten sehr beliebt. Die rundlichen, dunkelbraunen Samen breiten sich über aufplatzende Schoten selbst aus.
Sorten mit weißfleischigen Rüben werden bei uns traditionell im Winter als Viehfutter und die gelbfleischigen Sorten bis April als Gemüse genutzt. Leider genießt die Steckrübe keinen guten Ruf, weil mit ihr Erinnerungen an Kriegszeiten verbunden werden. Im „Steckrübenwinter“ 1916/17 wie auch im Hungerwinter 1946/47 dienten die eigentlich als Viehfutter vorgesehenen Früchte der hungernden Bevölkerung als Nahrung. Es gab Steckrüben in allen Variationen, als Eintopf, Brot, Kotelett, Marmelade, sogar als Kaffeeersatz. Kein Wunder, wenn man nie wieder Lust auf Steckrüben bekam. Dadurch sind in Deutschland viele der alten Sorten wie die „Pommersche Kannenwrucke“ oder der „Gelbe Apfel“ verschwunden. Doch allmählich gewinnt die Steckrübe wieder an kulinarischer Bedeutung. Ihr Anbau ist unkompliziert und regional. Sie ist gehaltreich an Vitamin C, Kalium und Calcium und zudem kalorienarm. Wegen ihres süßlichen Aromas und der guten Lagerfähigkeit nennt man sie „Ananas des Nordens“. Eine besonders schmackhafte Sorte ist die „Wilhelmsburger“ von 1897 mit orangegelbem Fruchtfleisch. „Hoffmans Gelbe“, eine alte gelbfruchtige Sorte, oder die weißfleischige „Niko“ mit grünem Kragen und feinem Aroma sind weitere empfehlenswerte Sorten.
Die Steckrübe lässt sich auf vielfältige Weise in der Küche verwenden, in Form von Eintöpfen, als Suppeneinlage, gewürfelt und gedünstet in der Pfanne als Gemüse zubereitet, als Püree oder Ofengemüse, geraspelt zu Reibekuchen verarbeitet oder als Rohkostsalat. Man kann aus ihnen mit einem Spiralschneider Spaghetti formen und eine Kräutersoße dazu reichen oder Steckrübensuppe kochen und mit Safran und Garnelen verfeinern. Die Zubereitungsarten sind enorm vielfältig. Das Internet bietet Rezepte in allen Variationen. Vielleicht tragen ja die Ernennung zum Gemüse des Jahres sowie die Aussicht auf kulinarische Genüsse zur Renaissance der Steckrübe bei.
zuletzt bearbeitet am 27.XII..2018