14. Nov. 2019
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Winter kann kommen, wenn Vorräte im Haus sind
Karl Josef Strank
Anfang der Woche, am 11. 11., ist nicht nur die neue Karnevalssession eröffnet worden. Der Martinstag ist seit dem Mittelalter ein wichtiger Stichtag im Kalender und wird in vielen Städten mit einem Volksfest gefeiert. Traditionell wurde an diesem Tag der Zehnt entrichtet, und bis heute zahlen Bauern die Pacht der Felder für das nächste Jahr. Der Martinstag markiert somit den Beginn des bäuerlichen Jahreslaufs. Die Martinsgans ist auch mit diesem Tag verbunden und steht für ein Festmahl, das wir gerne in dieser Jahreszeit genießen. Das setzt aber voraus, dass, wie es auch in der Vergangenheit wichtig war, die Feld- und Gartenfrüchte eingebracht und die Vorratskammern vor dem Winter gut gefüllt sind. Hierzu wurden in diesen Tagen Schlachtungen durchgeführt. Das hatte auch den Grund, Tiere nicht als „unnütze Esser“ den Winter durchfüttern zu müssen.
Martini war in der Vergangenheit ein wichtiger Markttag. Die ländliche Bevölkerung nutzte ihn, um vor dem Wintereinbruch Dinge des alltäglichen Bedarfs wie Wäsche, Schuhe und Werkzeug einzukaufen und eigene Produkte und Waren zu verkaufen. Es war auch der Tag für Pferdemärkte, denn schon Karl der Große verfügte, dass an Martini die Hengstfohlen an die Pfalz abgeführt wurden. Sein Hauptanliegen aber war es, mit den Vorschriften der Landgüterverordnung eine geordnete Vorratswirtschaft sicherzustellen. Die Lebensmittel und das Saatgut für das nächste Jahr vor Schädlingen und dem Verderb zu schützen, war äußerst wichtig, denn Hungersnöte kamen vor und waren lebensbedrohlich. Entsprechend scharf formulierte er die Vorschriften zur Zubereitung und Einlagerung des Essens. Alles sollte mit penibler Reinlichkeit und ordentlich erfolgen. Jede Möglichkeit der Konservierung wurde genutzt.
Heute ist vielfach die Lagerung in Kühlschränken und Gefriertruhen Mittel der Wahl. Die moderne Technik stand im Mittelalter gar nicht und Kühlung nur in begrenztem Maß zur Verfügung. Nicht jedes Haus hatte einen kühlen Keller und der Bau von Eiskellern war sehr aufwendig. Eine andere Möglichkeit war die Trocknung. Saftreichen Früchten wurde auf diese Weise Wasser entzogen. Auf luftigen Gestellen, den Darren, die auch in geheizten Kammern aufgestellt waren, erzeugte man Dörrobst. Heute gibt es dafür elektrische Apparate in jeder Preislage. Rosinen sind gedörrte Weintrauben. Klassischerweise trocknet man Birnen, Äpfel, Zwetschen, Feigen, Aprikosen und Marillen. Auch Exoten, die im Mittelalter noch nicht bekannt waren, und Zitrusfrüchte wie Bananen, Mangos, Papayas, Kiwis und Ananas eignen sich zum Dörren. Das Einkochen von Früchten scheint aus der Mode gekommen zu sein, ist aber eine probate Methode, Obst haltbar zu machen. Bei Marmelade und Gelee konserviert der Zucker, beim Einwecken besorgt das der pasteurisierende Effekt beim Kochen. Das kurzzeitige Erhitzen auf etwa 80 Grad Celsius, die Pasteurisierung, sterilisiert Fruchtsäfte und Milch und macht sie haltbar. Eine weitere Möglichkeit ist die Verarbeitung der Milch zu Käse. Frischkäse muss relativ zeitnah verzehrt werden, aber Weichkäse kann länger liegen und nachreifen, wie lange ist dann eine Frage der individuellen Geschmacksvorlieben, ebenso wie bei Hartkäse, der lange liegen und reifen kann.
Säure konserviert ebenfalls. Sauerkraut und saure Bohnen werden einer Milchsäuregärung unterzogen. Ein Eintopf aus sauren Schnippelbohnen ist nicht nur schmackhaft, sondern auch gesund. Sauerkraut liefert im Winter wichtige Vitamine.
Fleisch und Würste werden in Salz gepökelt und so haltbar gemacht. Der Entzug des Wassers trocknet und härtet das Fleisch. Die Imprägnierung mit Rauch tut ein Übriges. Schinken und Dauerwürste wie Salami werden auch heute noch auf die gleiche Weise hergestellt.
Trotz aller Kenntnisse über Nahrungsmittel scheinen wir sie immer weniger wertzuschätzen. Wir erzeugen und vernichten sie in Massen. Qualität und Quantität schließen einander aus. Gutes und gesundes Essen braucht Qualität. Das kommt auch der Umwelt zugute.
zuletzt bearbeitet am 6.I.2020