2. Juli 2020
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Mit Bienenweiden gegen das Insektensterben
Karl Josef Strank
Langzeitstudien des Entomologischen Vereins Krefeld haben einen drastischen Rückgang der Insekten dokumentiert. Sie ermittelten in Schutzgebieten über 27 Jahre einen Verlust der Gesamtmenge an Insekten um etwa 76 Prozent. Viele werden sich noch an Autofahrten in den Urlaub erinnern, als die Tankstopps auch dazu dienten, regelmäßig die Windschutzscheibe von den Resten der während der Fahrt getroffenen Insekten zu reinigen. Heute sind die Hauptverkehrsachsen weitgehend insektenfreie Korridore.
Andererseits wandern dem Klimawandel geschuldet aus dem Süden Mücken ein, die früher bei uns wegen der kalten Winter keine Überlebenschance hatten, etwa die Asiatische Tigermücke, die Krankheitserreger überträgt wie das Zika-Virus, das Chikungunya-Virus und das Dengue-Virus. Anderes Beispiel ist der Buchsbaumzünsler in See-Containern nach Europa verschleppt fressen dessen gelblichgrün schwarz punktierte Raupen die Buchsbäume bis auf die braunen Äste kahl. Buchsbäume überstehen diese Fressattacken, wenn sie nicht zu oft erfolgen. Inzwischen haben Haussperling und Meise die Raupen als proteinreiche Bissen für die Aufzucht ihrer Jungen entdeckt und erledigen das Zünslerproblem zum guten Teil biologisch.
Mit den Insekten trifft dieser drastische Schwund der Anzahl und in der Folge der Arten eine uralte, diversifizierte, angepasste und erfolgreiche Tiergruppe, die seit 345 Millionen Jahren die Erde bevölkert. Die ersten Menschen gibt es gerade mal seit 300.000 Jahren. Albert Einstein wird das Zitat zugeschrieben: „Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr.“ Wir sollten diesen Satz nicht als Zeichen der Altersverwirrtheit, sondern der tiefen Altersweisheit Einsteins deuten und sehr ernst nehmen.
Doch was sind die Ursachen für diesen Rückgang und was können wir, ja müssen wir dagegen tun? Das einzig auf die Steigerung des Profits ausgerichtete Denken und Streben hat uns in eine Sackgasse geführt. Noch Mitte des vorigen Jahrhunderts war die Landwirtschaft kleinräumig strukturiert und es gab eine Vielzahl kleiner Biotopstrukturen. Die Flurbereinigung, die Zusammenlegung kleiner Parzellen zu großen Schlägen hat unsere Landschaft monokultiviert und viele Strukturen zerstört, die der Lebensraum vieler Insekten waren. Obstwiesen und Hecken wurden gerodet, Ackerraine und Brachen unter den Pflug genommen, Moore entwässert und Heiden aufgeforstet, Magerwiesen durch Düngung in ertragreiche Fettwiesen verwandelt und vieles mehr. Der andauernde, intensive Einsatz von Pestiziden aller Art tut sein Übriges.
Die Fehler der Vergangenheit sind erkannt und wir wissen, was dagegen zu tun ist. Renaturierung ist das Stichwort. Förderprogramme auf nationaler und auf EU-Ebene versuchen, die fehlenden Strukturen wiederherzustellen. Der Druck auf die Landwirtschaft, ökologischer zu wirtschaften, wächst stetig. Die Zahl der Biohöfe nimmt zu. Geänderte Fruchtfolgen und Ackerrandstreifen sind Anzeichen für den einsetzenden Wandel. Natürlich muss mehr passieren.
Doch welche Möglichkeiten hat jeder Einzelne? Gärten bieten sich geradezu in idealer Weise an, den Insekten und auch den Vögeln mehr Lebensraum zu geben. Nicht jeder Lästling und jede Raupe muss gleich bekämpft werden. Vieles regelt die Natur von selbst. Vögel, Spinnen und Raubinsekten halten sie in Schach und verfüttern sie an die eigene Brut. Brennnesseln für die Raupen der Schmetterlinge, Totholz für Käferlarven sind einfach zu realisieren. Bienenweiden wirken oft wie der Tropfen auf den heißen Stein. Aber auch kleine Maßnahmen machen Sinn. Viel wichtiger ist, dass diese Beispiele und Aktionen zu einem Bewusstseinswandel in den Köpfen Vieler beitragen, den wir dringend brauchen. Der Erhalt der Artenvielfalt ist kein Luxus, den wir uns leisten, sondern eine Notwendigkeit für unser Überleben. Je dichter ein Netz gewoben ist, umso besser ist die Qualität.
zuletzt bearbeitet am 2.VIII.2020