17. Sept. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Rizinus ist Abführmittel und tödliches Gift zugleich

 Christina Paulson

Rizinus (Ricinus communis) ist eine der ältesten Heil- und stärksten Gift-Pflanzen der Welt. Sie gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) und heißt wegen ihres schnellen Wachstums auch „Wunderbaum“.

Ihre Heimat ist vermutlich das tropische Afrika, wo es noch Wildformen der Pflanze gibt. Von dort hat sie sich bis in die gemäßigten Zonen ausgebreitet. Ihre Größe ist abhängig vom Klima des Standorts. In deutschen Grünanlagen ist sie wegen ihres auffälligen Erscheinungsbildes und der roten Blattfärbung beliebt.

In größerem Maßstab wird die Pflanze angebaut, um das zuverlässig abführend wirkende Rizinusöl zu gewinnen. Je nach Dosis tritt die abführende Wirkung unterschiedlich rasch ein: ein Teelöffel Öl wirkt nach etwa acht Stunden, ein bis zwei Esslöffeln wirken innerhalb von zwei bis vier Stunden, ohne die Magen- oder Darmschleimhaut zu reizen. Zum leichteren Einnehmen kann man das in kaltem Zustand viskose Öl etwas anwärmen, damit es dünnflüssiger und besser zu schlucken ist. Allerdings sollte Rizinusöl bei Darmverschluss, akutentzündlichen Erkrankungen des Darms, unklaren Beschwerden im Bauchraum, in der Schwangerschaft und Stillzeit sowie von Kindern unter zwölf Jahren nicht eingenommen werden. Homöopathen empfehlen Ricinus communis bei akuten und chronischen Durchfallerkrankungen.

Bereits im 16. Jahrhundert wies der deutsche Naturforscher, Arzt und Botaniker Adamus Lonicerus in seinem 1557 erstmals erschienen Kräuterbuch auf die reinigende Wirkung der Pflanze hin und schrieb: „Diss isst ein köstlich Kraut und das kompt aus Egypten. 30 Zeckenkörner dieses Baumes zerstossen und eingetruncken, purgieren und reinigen den Magen.“ Zu Beginn des 18. Jahrhunderts galt sie in Europa jedoch nur noch als Gartenpflanze und wurde schließlich so selten, dass man die Samen später aus Jamaika importierte. Sowohl die pharmazeutische Bezeichnung „Kastoröl“ als auch das englische „castor oil plant“ stammen aus Jamaika, da Ricinus dort damals mit „Agnus castus“, dem Mönchspfeffer, verwechselt wurde. Die erste schriftliche Erwähnung von „Castoröl“ stammt aus England aus dem Jahr 1764. Zu dieser Zeit wurde seine Verwendung in Mitteleuropa wieder gebräuchlich, vierzehntägiges Kuren mit Rizinusöl als Abführmittel galt als essentiell für die Gesundheit.

Die großen, lang gestielten Blätter des Wunderbaums sind handförmig geteilt und am Rand unregelmäßig gesägt. Sie stehen spiralig an einem aufrechten, grünen bis bräunlichroten Stängel. Rizinus blüht von August bis Oktober mit unscheinbaren, grüngelben Blüten in großen endständigen Rispen. Aus der weiblichen Blüte entwickelt sich eine mit weichen Stacheln besetzte, dreifächerige, rotbraune Fruchtkapsel. Sie umschließt drei glänzende, bohnenförmige beziehungsweise zeckenähnliche, 9 bis 22 Millimeter lange, graubraun marmorierte Samen, die bei ihrer Reife aus der Kapsel geschleudert werden. Diese enthalten das hochgiftige Protein Ricin.

Der Botanische Sondergarten in Hamburg-Wandsbek wählte im Jahr 2018 Rizinus zur Giftpflanze des Jahres, um darauf hinzuweisen, den Wunderbaum bei der Gartengestaltung zu vermeiden, wenn Kleinkinder oder Haustiere im Garten sind. Denn für diese kann bereits ein zerkauter Rizinus-Samen tödlich sein, für Erwachsene sind es 2 bis 20 „Castorbohnen“. Auch politische Morde mit dem leicht herstellbaren Ricin sind bekannt. Das in den Rizinus-Samen enthaltene Ricin löst sich in Wasser, nicht aber in Fett. Daher ist es im Rizinusöl nicht enthalten. Die unspezifischen Vergiftungssymptome nach dem Verzehr von Rizinussamen wie Unwohlsein, Bauchschmerzen und Schwindel treten erst nach einigen Stunden bis zu zwei Tagen auf und verstärken sich dann rasch. Nach drei bis vier Tagen tritt der qualvolle Tod durch Organ- und Kreislaufversagen ein. In Verdachtsfällen sollte man sofort Erbrechen auslösen und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, denn es gibt noch kein Gegengift!

 

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zuletzt bearbeitet am 24.X.2020