25. März 2021
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Pilze als Holz-Recycler
Ruth Gestrich-Schmitz
Noch ist die Natur nicht richtig in Schwung gekommen, die Bäume sind unbelaubt und offenbaren uns bei genauerem Hinsehen manchmal bizarre Strukturen, die an ihrem Stamm zu kleben scheinen. Gemeint sind die Fruchtkörper von holzbewohnenden Pilzen, die mit der Zeit das Holz zersetzen. Am bekanntesten ist dabei wohl der Zunderschwamm (Fomes fomentarius), der vor allem auf alten Rotbuchen und Birken wächst. Bereits in der Jungsteinzeit verarbeitete man den Fruchtkörper des Pilzes zu Zunder, der das Anfachen von Feuer erleichtert. Seit dem Mittelalter stellt man daraus auch „Pilzleder“-Textilien wie Kappen oder Taschen her. In der Volksheilkunde verwendet man ihn als wundheilförderndes, blutstillendes, entzündungshemmendes und immunstärkendes Mittel.
Die in den Fruchtkörpern von Pilzen gebildeten Sporen werden vor allem durch Wind und Tiere verbreitet. Sie dringen bevorzugt bei verletzten und geschwächten Bäumen über Wunden am Stamm, an der Krone oder an der Wurzel ein.
Viele holzbewohnende Pilze sind verantwortlich für den Abbau alter, geschwächter, absterbender und toter Bäume. Nur Pilze sind in der Lage, den Holzbestandteil Lignin effektiv zu zersetzen. Man unterscheidet im Wesentlichen drei verschiedene Arten des Holzabbaus: Braunfäule, Moderfäule und Weißfäule. Zu den Braunfäule-verursachenden Pilzen gehören beispielsweise Schwefelporling oder Rotrandiger Baumschwamm. Sie bauen die für die Elastizität verantwortliche Zellulose und Hemizellulose in den Zellwänden des Baumes ab. Das braune Kernholz bricht im Laufe der Zeit würfelartig und zerfällt letztendlich zu braunem Pulver. Der Brandkrustenpilz gehört zu den Arten, die Moderfäule verursachen. Zunächst wird nur die Zellulose abgebaut, zu einem späteren Zeitpunkt das für die Festigkeit verantwortliche Lignin. Die Zersetzung der Zellulose kann bereits im lebenden Baum beginnen, die Fruchtkörper sind unscheinbar und werden leicht übersehen. In Bezug auf die Verkehrssicherung gilt er daher als gefährlicher Pilz, weil seine Tätigkeit oft zu spät bemerkt wird. Bei der Weißfäule unterscheidet man zwei Holzzersetzungsmuster: Zunderschwamm und Zottiger Schillerporling etwa verursachen simultane Weißfäule, indem sie Zellulose, Hemizellulose und Lignin gleichermaßen abbauen. Bei der selektiven Weißfäule, hervorgerufen etwa vom Flachen Lackporling, Hallimasch oder Wurzelschwamm, wird bevorzugt Lignin, dann erst die Zellulose abgebaut. Das Holz wird weich, faserig und bleicht aus.
Oft ist das Erscheinen von Fruchtkörpern der einzige Warnhinweis vor dem Bruch. Fruchtkörper von Zunderschwamm und Flachem Lackporling verbleiben häufig jahrelang am Baum, die anderer Arten wie Schwefelporling oder Austern-Seitling nur wenige Wochen, in denen Gefahren erkannt werden können.
Aus ökologischer Sicht sind holzzersetzende Pilze sehr interessant! Nicht nur, dass sie einen wichtigen Beitrag zum Abbau organischen Materials und zum Aufbau von Humus leisten. Bäume, die von holzzersetzenden Pilzen besiedelt sind, bieten Lebensraum und Nahrung für Insekten, Schnecken, Kleinsäugetiere und Vögel. Manche Käferlarven ernähren sich von Holz/Pilz-Gemischen, viele Insekten haben sich auf die Besiedlung der Fruchtkörper spezialisiert.
Die Artenvielfalt holzzersetzender Pilze und ihre Fähigkeit, fast alle ökologischen Nischen zu besetzen, lassen sie sehr gute Indikatoren für Veränderungen im Wald sein. Welche Pilze vorkommen, hängt von der Baumart, der Menge und dem Zersetzungsgrad des Totholzes im Wald, den klimatischen Gegebenheiten, der Vorarbeit anderer Pilze ab. Man hat festgestellt, dass Totholz aus Windwurf, Schneebruch, Borkenkäferbefall oder Waldbrand von unterschiedlichen Pilzen besiedelt wird.
Abgestorbene Rotbuche mit Zunderschwamm
zuletzt bearbeitet am 6.IV.2021