8. April 2021
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Pflanzengesellschaft des Jahres: Der Hartholzauwald
Joachim Schmitz
Von Natur aus hätten größere Flüsse folgende Gliederung des Ufers: Am tiefsten im Wasser stehen Wasserpflanzen und Röhrichte. Über dem mittleren Sommerwasserstand wachsen die ersten Gehölze wie verschiedene Weidenarten und Pappeln. Wegen der Eigenschaft des Holzes nennt man das den Weichholzauwald. Darüber folgt der Hartholzauwald (Ficario-Ulmetum, syn. Querco-Ulmetum).
Die Weichholzaue wird mehrfach im Jahr überschwemmt, die Hartholzaue nur gelegentlich, meist vom Frühjahrshochwasser. Wegen der Regulierung und Verbauung der meisten Flüsse ist schon der Weichholzauwald sehr selten geworden. Noch gefährdeter ist der Hartholzauwald. Seine potentiellen Standorte sind vernichtet oder, wo es noch ein natürliches Uferprofil gibt, in Grünland umgewandelt oder überbaut. Die letzten Vorkommen im Rheinland gibt es im Umfeld des Rheins.
Während Weichholzauen sich im Artengefüge deutlich absetzen und deshalb einer eigenen Klasse zugerechnet werden, unterscheidet sich die Hartholzaue von anderen sommergrünen Laubwäldern Mitteleuropas nur graduell und wird deshalb zu dieser Klasse gezählt.
In sumpfigen, regelmäßig überschwemmten Böden sind die Stabilität und die Sauerstoffzufuhr die größten Probleme für Bäume. Beides kann durch brettartig hochwachsende Wurzeln sichergestellt werden. In tropischen Sumpfwäldern besitzen viele Arten solche Brettwurzeln. In Mitteleuropa ist einzig die Flatter-Ulme in der Lage, solche Brettwurzeln auszubilden. Weitere typische Bäume sind die Trauben-Kirsche, Kleine Ulme, Wilde Birne, Wilder Apfel u.v.a. Es kommen aber auch etliche Arten „normaler“ Wälder vor, von denen Esche und Stiel-Eiche oft vorherrschen.
Die Brettwurzel dieser Flatter-Ulme vermittelt einen Hauch von Amazonas.
Durch die Überschwemmungen wird der Boden natürlich gedüngt. Deshalb ist die Krautschicht sehr reichhaltig. Charakterarten sind die Hohe Schlüsselblume, Wald-Gelbstern, Wechselblättriges Milzkraut und Rührmichnichtan (= Großes Springkraut). Darüber hinaus gedeihen viele Frühjahrsblüher, die auch in anderen Waldtypen vorkommen, hier besonders prächtig. Beispiele sind Lerchensporn-Arten, Gelbes Windröschen und Schneeglöckchen. Letzteres ist übrigens im Rheinland nur eingebürgert; es stammt eigentlich aus dem Voralpenraum.
Eine ganze Reihe weiterer, nährstoff- und feuchtigkeitsliebender Arten war früher auf Auentäler beschränkt und sie wurden deshalb als Charakterarten angesehen. In den vergangenen Jahrzehnten ist eine kontinuierliche Aufdüngung der Böden zu beobachten. Autoabgase und Gülleausdünstungen können sich in der Luft ausbreiten und weit entfernt durch Regen niedergeschlagen werden. Im siedlungsnahen Bereich ist auch die Aufdüngung durch die enorme Zahl ausgeführter Hunde nicht zu unterschätzen. So konnten sich manche Auwald-Arten weit über ihre ursprünglichen Biotope ausbreiten. Selbst in ausgesprochen mageren Waldtypen, z.B. im Hainsimsen-Buchenwald, findet man am Wegrand heute Riesen-Schwingel und Wald-Ziest. Das Gewöhnliche Hexenkraut hat es sogar in städtische Grünanlagen und auf Baumscheiben geschafft.
Ähnliche Auwälder gibt es auch an kleineren Gewässern. Im Flachland ist das meist der Traubenkirschen-Eschen-Auwald (Pruno-Fraxinetum), in der Eifel der Sternmieren-Erlen-Auwald (Stellario-Alnetum). Hier spielt die Rot-Erle eine größere Rolle und es kommt mit der Hain-Sternmiere (Stellaria nemorum) eine spezifische Charakterart hinzu. Auch diese Waldtypen sind aus den gleichen Gründen gefährdet wie die Hartholzaue des Rheins, aber noch nicht ganz so selten.
zuletzt bearbeitet am 10.V.2021