5. Aug. 2021
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Wacholderdrossel: Früher landete sie im Kochtopf
Karl Josef Strank
In diesem Frühjahr bemerkte ich, als ich im Garten saß, mehrere Vögel, die offensichtlich auf dem Durchzug in ihr Brutgebiet waren und sich durch ihre Statur und das getupfte Brustgefieder als Drosseln zu erkennen gaben. Es waren aber keine Singdrosseln, die schon mehrfach im Garten gebrütet hatten. Kopf und Bürzel waren grau, was sich sehr kontrastreich von den braunen Flügeln und dem fast schwarzen Schwanz abhob. Sie waren etwas gedrungener und molliger gebaut als die eher schlanken Singdrosseln. Die Recherche ergab, dass es sich wohl um Wacholderdrosseln handelte. Singdrosseln sind ja für ihren schönen Gesang bekannt. Der Trupp Wacholderdrosseln machte sich mit einem lauten Schackern „gag-schak-schak-ak-ak“ unüberhörbar bemerkbar. Viele Laute haben Wacholderdrosseln nicht im Repertoire. Bei Erregung „dschipdschipdschip“ und bei Gefahr ein knarrendes „traa-traa-traa“ oder „trrr-trrr-trrr“ mit dem sie dann auch Feinde in der Luft, ähnlich wie die Krähen, anhassen. Ursprünglich stammen Wacholderdrosseln aus der Taiga Mittel- und Westsibiriens. Sie haben sich aber Anfang des 19. Jahrhunderts nach Westen ausgebreitet. 1936 haben starke Winde einen Trupp aus Skandinavien, der in Richtung England unterwegs war, sogar nach Grönland verschlagen, wo sie sich im Süden angesiedelt haben. Als Kurzstreckenzieher weichen sie generell bei strengen Wintern und geringem Beerenangebot in den Süden ihres Verbreitungsgebietes aus. Sie siedeln und brüten bei uns im Randbereich geschlossener Baumbestände oder einzelner Büsche. Wichtig ist, dass frisches, feuchtes, kurzrasiges Grünland oder auch Ackerflächen mit einem guten Regenwurmbesatz in der Nähe sind, denn das brauchen sie für die Aufzucht der Jungen. Daneben fressen sie aber auch Insekten und andere Kleintiere, z.B. Spinnen und Schnecken. Gelegentlich finden sich auf Steinen gehäuft zertrümmerte Reste von Schneckenhäusern. Sie sind die Hinterlassenschaft insbesondere von Singdrosseln, die Gehäuseschnecken als bevorzugte Nahrung auf diesen „Drosselschmieden“ knackt und verspeist. Im Winter stellen sie die Nahrung auf Beeren um.
Wacholderdrosseln sind tagaktiv und ziehen auch tagsüber. Am Boden hüpfen sie oder schreiten auf der Nahrungssuche auch kleine Strecken. Außerhalb der Brutzeit übernachten sie oft in großen Scharen in Bäumen, hohen Büschen und Hecken. Zur Brutzeit bilden sie kleine Territorien in mehr oder weniger geschlossenen Kolonien. Die Nahrung suchen sie außerhalb auf neutralen Flächen. Den Brutplatz verteidigen sie intensiv gegen Feinde. Das betroffene Paar und benachbarte Paare hassen auf die Eindringlinge. Auf Krähen, Eulen und Greifvögel führen sie Scheinangriffe mit Sturzflügen und Abbremsen kurz vor dem Feind durch. In höchster Gefahr werden Feinde, auch Menschen, mit Kot bespritzt. Dieses Verhalten zeigen sie vor allem in der Zeit nach der Ablage des letzten Eis bis die Jungen flügge sind.
Ein bis zwei Bruten mit 5-6 Eiern sind üblich. Hauptursachen der Gefährdung sind neben Witterungseinflüssen und einem hohen Druck durch Räuber vor allem die zunehmende Verschlechterung, oder gar der komplette Verlust des Lebensraums infolge intensiver Landwirtschaft, Trockenlegung oder Vernichtung von Feuchtgebieten und Flussauen sowie die Beseitigung von Streuobstwiesen.
Früher wurden die Wacholderdrosseln wegen ihres Wohlgeschmacks in Massen gefangen. Als Krammetsvögel landeten sie dann im Kochtopf. Es gab zahlreiche Rezepte für die Zubereitung. Sie wurden mit Schlingen aus Pferdehaar, früher Dohnen genannt, gefangen. Die Schlingen wurden in oder in die Nähe von fruchtenden Vogelbeeren gehängt. Viele Vögel erstickten qualvoll und zappelten sich zu Tode, denn oft töteten die Schlingen nicht sofort. Vogelfänger bekamen Anfang des letzten Jahrhunderts 11 bis 18 Pfennig pro Vogel. 1908 wurde der Fang mit Schlingen von Wacholderdrosseln und anderen Drosselarten verboten. Ein früher Erfolg des Bundes für Vogelschutz (BfV), dem Vorläufer des heutigen NABU, bedenkt man wie lange der Vogelfang in den südlichen Ländern weiter betrieben wurde und es teilweise immer noch wird.
zuletzt bearbeitet am 4.X.2021