12. Aug. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Lotosblume bezaubert mit ihrer exotischen Eleganz

 Ruth Gestrich-Schmitz

Es ist noch nicht lange her, dass man annahm, Lotosblumen könne man in Mitteleuropa nur in Gewächshäusern Botanischer Gärten bewundern. Doch ihre Kultur im eigenen Gartenteich ist selbst in unseren Breiten möglich.

Lotosblumen, auch Lotos oder Lotus genannt, sehen den Seerosengewächsen (Nymphaeaceae) ähnlich, sind aber nicht näher mit diesen verwandt. Sie bilden eine eigene Pflanzenfamilie, die Nelumbonaceen. Zu ihr gehören nur zwei Arten: Nelumbo nucifera, die Indische Lotosblume mit rosa bis cremefarbenen Blüten, vor allem in Asien und Australien vorkommend, und Nelumbo lutea, die blassgelb blühende, in Nordamerika beheimatete Gelbe oder Amerikanische Lotosblume.

Indische Lotosblume

Lotosblumen wachsen als ausdauernde, stattliche, sommergrüne Pflanzen in flachen, stehenden Gewässern. Im schlammigen Untergrund entwickeln sich aus Rhizomen langgestielte, bis zu zwei Meter hohe, schirmförmige, runde, blaugrüne Blätter mit einem Durchmesser von bis zu sechzig Zentimetern, und ebenso langestielte attraktive Blüten mit einem Durchmesser von bis zu fünfunddreißig Zentimetern, die von Mai bis August ihre Schönheit präsentieren. Nach der Bestäubung, vor allem durch Käfer, bildet sich eine Fruchtkapsel, die an die Brause einer Gießkanne erinnert. Die darin enthaltenen haselnussgroßen Samen können bis zu eintausend Jahre keimfähig bleiben!

Die Indische Lotosblume gilt im Hinduismus und Buddhismus als heilige Pflanze. Sie symbolisiert absolute Reinheit und Vollkommenheit: Denn aus dem schlammigen Gewässerboden entfalten sich makellos saubere Blätter, an denen jeglicher Schmutz bei Benetzung mit Wasser abperlt. Dieses als Lotus-Effekt bezeichnete Phänomen beruht auf der Oberflächenstruktur der Blätter mit winzigen, mit Wachskristallen überzogenen Höckern. Die Kontaktfläche zu Wassertropfen wird damit auf ein Minimum reduziert. Die abperlenden Tropfen nehmen Schmutzpartikel und Krankheitskeime wie Bakterien und Pilzsporen mit und sorgen für eine saubere Blattfläche und damit auch für optimale Photosynthese-Bedingungen. Seit den 1990er Jahren versucht man den von Prof. Wilhelm Barthlott entdeckten Lotus-Effekt für technische Anwendungen wie selbstreinigende Fenster oder Fassadenfarbe zu nutzen.

Neben ihrer religiösen Bedeutung hat die Lotosblume in der asiatischen Küche einen hohen Stellenwert. Die stärkehaltigen Rhizome werden zu Mehl verarbeitet, in Scheiben geschnitten als Gemüse zubereitet, in Indien als scharfe Pickles verzehrt. Die Blattstängel werden roh oder gekocht gegessen. Die vitamin- und stärkehaltigen Samen sind beliebt als Knabberei, vor allem geröstet oder kandiert. Die Blätter dienen zum Frischhalten von Nahrungsmitteln, als Teller für Speisen, als Viehfutter wie auch als Kopfbedeckung. Aus den Blütenblättern bereitet man in China gesundheitsfördernde Tees. Dort wurde früher auch der in allen Pflanzenteilen enthaltene Milchsaft, der ein herzwirksames Alkaloid (Nelumbin) enthält, für medizinische Zwecke genutzt.

Da die Lotosblume ursprünglich wohl aus dem gemäßigten Klima Chinas stammt und eine gewisse Winterkälte verträgt, kann man ihre Schönheit auch im eigenen Garten erleben. Für die erfolgreiche Kultur mit vielen Blüten sind warme Sommer mit Temperaturen über 20° Celsius an etwa neunzig Tagen nötig. Der Standort sollte vollkommen sonnig sein. Am besten pflanzt man die Rhizome, die es im Fachhandel über das Internet zu beziehen gibt, in Töpfe oder Kübel und stellt sie, wenn es draußen warm wird, in den Garten oder in den Gartenteich. Sie müssen mit reichlich Mineraldünger versorgt werden. Um die Rhizome in kalten Wintern vor dem Erfrieren zu schützen, stellt man die Pflanzgefäße in einen kühlen, frostfreien Raum, wobei die Erde nicht austrocknen darf. Prof. Barthlott ist überzeugt: „Lotosblumen sind etwas ganz Besonderes. Ihre Eleganz rechtfertigt den Aufwand, sie im eigenen Garten zu kultivieren.“

 

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zuletzt bearbeitet am 4.X.2021