19. Aug. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die singende Grille

 Sophie Zimmermann

Im Sommer tönt abends von den Feldern häufig eine monotone Melodie. Verursacher dieses Geräusches ist eine bestimmte Heuschreckenfamilie, die Echten Grillen (Gryllidae).

Hier in Deutschland ist die Feldgrille (Gryllus campestris) die bekannteste Art. Sie kann bis zu 2,6 cm lang werden und ist schwarz glänzend mit goldenen Flügeln. Die Feldgrille wohnt in einem Bau, den sie sich in lockere Erde gegraben hat. Als Beobachter hat man es recht schwer, denn Grillen sind sehr scheu und verstecken sich beim kleinsten Annäherungsversuch. Die Grille ernährt sich rein pflanzlich von Gräsern, Wurzeln, Samen oder Früchten. Laut NABU ist die wärmeliebende Feldgrille vor allem im Süden Deutschlands zu finden. Im Nordwesten vermindern sich die Bestände. Ein Problem ist der Verlust an Lebensräumen, weshalb sie in manchen Gegenden bereits ausgestorben ist. Die Feldgrille bevorzugt trockene, sonnige Hänge, Wiesen oder Heiden. Der Klimawandel wirkt sich deshalb auf die Grille positiv aus. Sofern genügend Lebensraum vorhanden ist, könnte sich die Population des Tieres wieder erholen.

Grillen sind hemimetabole Insekten. Das bedeutet, dass keine vollständige Verwandlung, wie beispielsweise von der Raupe zum Schmetterling stattfindet. Nach dem Schlüpfen wachsen die Tiere, bis der Chitinpanzer zu klein ist und abgelegt wird. Diese Häutung wird so lange vollzogen, bis das ausgewachsene Stadium (Imago) erreicht ist. Die jungen Larvenstadien besitzen keine Flügel, wobei die Imagines trotz Flügel im Gegensatz zu anderen Heuschreckenarten nicht fliegen können. Sobald die männlichen Grillen ausgewachsen und somit geschlechtsreif sind, beginnen diese mit ihrem Gesang (Stridulation). Dieser entsteht durch das Übereinanderreiben der Vorderflügel (Elytren). Auf der Unterseite des oberen Flügels befindet sich eine Schrillleiste, die wie ein Kamm über die glatte Schrillkante des unteren Flügels gerieben wird. Ähnlich wie bei einer Holzratsche oder Guiro vibrieren die Flügel durch die Reibung. Durch die gesamte Oberfläche des Flügels wird die Vibration verstärkt, wodurch das laute Zirpen zu hören ist. Es gibt übrigens Rechts- und Linksflügler unter den Grillen, je nachdem, welcher Flügel oben ist.

Es können drei verschiedene Gesänge bei Grillen unterschieden werden. Der vermutlich am häufigsten auftretende ist der laute Lockgesang, der bis zu 10 Meter entfernte Weibchen anlocken soll. Grillen besitzen ihre Hörorgane in Form eines großen und kleinen Trommelfells auf den Vorderbeinen. Wenn das Weibchen ihren Verehrer erreicht, beginnt dieser mit einem leisen Werbegsang und bewegt sein Hinterteil vor dem Weibchen auf und ab. Ist das Weibchen paarungswillig, klettert es für die Begattung auf das Männchen. Nach der Befruchtung legt das Weibchen mithilfe ihrer Legeröhre 20 bis 40 Eier in den Boden. Die dritte Form des Gesangs richtet sich an gleichgeschlechtliche Artgenossen. Der sogenannte Rivalengesang wird zur Abschreckung von Konkurrenten genutzt. Der Gesang dient dazu, Kosten und Nutzen einer Kampfhandlung abzuschätzen. Es wird abgewogen, ob es sinnvoll ist, sich auf einen Kampf einzulassen oder die Flucht zu ergreifen. Wissenschaftler fanden heraus, dass der Botenstoff Stickoxid, ausgelöst durch Negativerlebnisse, für die Flucht verantwortlich ist. Reicht der Gesang nicht aus, kommt es mit Hilfe der starken Mundwerkzeuge (Mandibeln) zum Kampf.

Seit Jahrhunderten werden in China Grillenkämpfe ausgetragen. Hierzu werden zwei männliche Grillen in eine kleine Arena gesetzt und ihre Fühler mit Pinseln gereizt. Angeregt durch dieses Signal kämpfen die beiden Rivalen, indem sie ihre Mandibeln verhaken, sich zerren und mit dem Kopf stoßen. Der Gewinner zirpt, während der Verlierer die Flucht ergreift. Für einen fairen Kampf werden die Grillen zuvor sogar gewogen und einer Gewichtsklasse zugeordnet.

Für die Zukunft könnte den Grillen eine große Bedeutung in der Nahrungsmittelindustrie zukommen. Vor allem Hausgrillen (auch Heimchen genannt) enthalten den höchsten Proteinanteil (69%) aller Speiseinsekten. Schon jetzt gibt es Snacks, Riegel, Nudeln oder Brot aus Grillenproteinen. Insekten sind ein potenzieller Fleischersatz. Vergleicht man die Produktion von Rindfleisch und Grillen, liegen die Vorteile klar bei den Insekten. Hier wird sowohl weniger CO2 ausgestoßen als auch weniger Wasser, Futter und Platz benötigt. Also werden wir beim nächsten Sommerfest vielleicht statt Fleisch lieber Grillen grillen.

 

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zuletzt bearbeitet am 4.X.2021