16. Dez. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Schwarzwurzeln – Eine kulinarische Wiederentdeckung

 Ruth Gestrich-Schmitz

Bis Weihnachten dauert es nicht mehr lange, und so macht man sich Gedanken, welche Delikatessen das Weihnachtsmenü bereichern können. Wie wäre es in diesem Jahr mit Winterspargel? Damit ist nicht aus dem fernen Peru importierter Spargel gemeint, sondern die Schwarzwurzel, auch „Spargel des kleinen Mannes“ genannt. Von Oktober bis April kann man sie als typisches Wintergemüse auf dem Markt kaufen, in tiefgefrorener Form oder im Glas ist sie das ganze Jahr über in Lebensmittelmärkten erhältlich. Eine frische Schwarzwurzel sieht auf den ersten Blick wie ein langes, dunkles Stück Holz aus. Erst wenn man sie schrubbt oder schält, kommen ihre weiße Farbe und die Ähnlichkeit zum Spargel zum Vorschein. Das Säubern ist kein Vergnügen, denn beim Schälen tritt ein klebriger Saft zutage, der an den Händen haften bleibt und sich braun verfärbt. Das kennt man vom Milchsaft des Löwenzahns, mit dem die Schwarzwurzel verwandt ist. Sie gehören beide zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Von der Pflanzengattung Schwarzwurzel (Scorzonera) gibt es etwa einhundertachzig Arten. Die bekannteste ist die als Gemüse genutzte Garten-Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica), deren Artname hispanica darauf hindeutet, dass sie ursprünglich aus Spanien stammt. Ab dem 17.Jh. wurde die Schwarzwurzel in Mitteleuropa als Gemüse angebaut. Davor sollen die Germanen und Kelten sie als Heilmittel gegen Schlangenbisse und bei Herzleiden angewendet haben. Im Rheinland wird sie Schötzeneere oder Schützeneere genannt, vermutlich Verballhornungen des lateinischen Gattungsnamens.

Die Schwarzwurzel ist eine ausdauernde, winterharte Pflanze, die in der Regel einjährig angebaut wird, und humosen, tiefgrundig gelockerten, nährstoffreichen Boden liebt. Kräftige, lange Wurzeln erhält man nur bei früher Aussaat im März. Aus den Samen entwickeln sich grundständige, lanzettliche Blätter und dreißig bis vierzig Zentimeter lange Wurzeln mit einem Durchmesser von zwei bis drei Zentimetern. Gute Nachbarn für die Schwarzwurzel sind dabei Salat, Porree und Kohlrabi. Ab Oktober können die Wurzeln vorsichtig geerntet werden. Bei Beschädigung läuft der Milchsaft aus und die Wurzeln verlieren an Feuchtigkeit. Eingeschlagen in feuchtem Sand halten sie sich bis ins nächste Frühjahr. Aufgrund ihrer Frosthärte kann man die Schwarzwurzeln auch im Winter im Beet lassen und bei Bedarf ernten. Möchte man im folgenden Jahr selbst Samen ernten, lässt man einige Wurzeln im Boden. Denn dann entwickeln sich im Juni/Juli Blüten und Fruchtstände, die denen des Löwenzahns ähnlich sind.

Schwarzwurzeln werden kommerziell vor allem in Belgien, Frankreich und den Niederlanden angebaut. Sie enthalten dreimal so viel Eisen und Calcium wie Spargel, viele Vitamine und das Kohlenhydrat Inulin. Bei Inulin handelt es sich um einen Ballaststoff, der in Magen und Darm Wasser aufnimmt und quillt. Er regt die Verdauung an, fördert ein längeres Sättigungsgefühl und die Vermehrung von Bifidobakterien im Darm. Inulin ist auch dafür verantwortlich, dass Schwarzwurzeln zum Strecken von Bohnenkaffee verwendet wurden: Beim Rösten der Wurzeln wird Inulin zu Oxymethylfurfurol umgewandelt, das für das kaffeeähnliche Aroma sorgt.

Zurück zum Weihnachtsmenü: Wer sich nicht scheut, die schwarzen Wurzeln zu schälen - mit Gummihandschuhen vermeidet man klebrige, braune Hände – und sie sofort in Wasser mit Zitronensaft legt, wird mit dem würzigen, leicht nussigen Geschmack eines schneeweißen Wintergemüses belohnt. Ob zubereitet als Suppe, gekochtes oder gebratenes Gemüse, Auflauf oder als Salat, ein Genuss und eine große Bereicherung der saisonalen Küche im Winter!

 

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zuletzt bearbeitet am 4.I.2022