30. Dez. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von Glücksschweinen und armen Säuen

 Karl Josef Strank

Friedrich II., der Große, von Preußen, nannte Karl Theodor, den Kurfürsten von der Pfalz, dem schließlich auch die Kurwürde und die Ländereien von Bayern durch Erbschaft zufielen, voller Neid das „Glücksschwein“. Der „alte Fritz“ führte sein Leben lang Kriege, um Preußen im Spiel der europäischen Mächte zu behaupten. Karl Theodor hielt sich aus allem raus und ging in die Geschichte ein als kunstsinniger Mäzen und Förderer der Kultur. Er hinterließ neben vielen anderen Bauten u .a. auch in Düsseldorf und München, Schloss und Park in Schwetzingen, und unter ihm avancierte die Mannheimer Hofkapelle zu einem in ganz Europa bewunderten Elite-Ensemble, das Maßstäbe für die harmonische, symphonische Musik setzte, dem auch Mozart seine Anerkennung aussprach.

Schweine haben in unserer Kultur eine durchaus ambivalente Bedeutung, wohingegen sie in Judentum und Islam als unrein gelten und tabu sind. Bekanntlich sind Wildschweine die Leibspeise von Obelix. Auch heute liegt bei uns Schweinefleisch in der Beliebtheit vorne. Zwar ist der Verzehr in den letzten Jahren etwas zurückgegangen, es sind aber immer noch 45 Kilo pro Bundesbürger und Jahr.

Schweine sind Allesfresser, was es leicht macht, sie zu mästen. Früher hielten viele Leute für den Eigenbedarf hinter dem Haus ein Schwein. Es verwertet fast alles von Küchenabfällen bis zu Essensresten. Auf dem Land wurden die Schweine im Herbst zur Buchen- und Eichelmast in den Wald getrieben. Von daher erklärt sich der Spruch: Die besten Schinken wachsen auf den Bäumen. Praktiziert wird das heute noch in Südspanien und Portugal. Die halbwild gehaltenen Iberischen Schweine liefern den Edelschinken, Jamon Iberico de Ballota. Vergleichbare Qualitäten gibt es von Bindenschweinen in Mittelitalien und Wollschweinen in den Saveauen. Generell ist aber heute die Waldweide und Schweinemast in Wäldern verboten, weil sie sich nach Ansicht von Experten mit den hohen Anforderungen der Holzproduktion in unseren Forsten nicht verträgt.

Der Winter war die Zeit der Hausschlachtungen. Nach erfolgter Mast das Jahr über deckten sich die Menschen für die kalte Jahreszeit mit Fleisch und Wurst für ein üppiges Mahl zu den bevorstehenden Festen ein. Verwertet wurde dabei nahezu das ganze Tier. Die Innereien wurden in einer Vielzahl von Wurstwaren verarbeitet. Knochen zu Suppen und Soßenfonds ausgekocht. Das Fett der Tiere liefert auch heute den Grundstoff für Speck, Schmalz und Talg. Därme liefern die Wursthüllen, Mägen die Pelle für Spezialgerichte wie Saumagen. Aus der Haut wird Schweinsleder hergestellt. Die Borsten sind für Pinsel hoher Qualität zu brauchen. Die Klauen werden mit Hörnern und Hufen anderer Schlachttiere für die Herstellung von Leim und organischem Dünger in Form von Hornspänen verarbeitet.

Das Schwein gilt in vielen Kulturen als Glücksbringer und als Fruchtbarkeitssymbol aufgrund seiner vielen Ferkel. Wer (zu)viel Geld hat, vertraut das dann auch gerne dem Sparschwein an. Der Volksmund spricht von „Schwein gehabt“, wenn jemand unerwartetes oder unverdientes Glück hat. Es ist nicht ganz klar, worauf die Redewendung zurückgeht. Möglicherweise auf den mittelalterlichen Brauch, dem Letzten und Schlechtesten im Wettkampf als Trostpreis ein Schwein zu überreichen. War das zum Hohn und Spott gedacht, so erwies es sich für den Verlierer als unerwarteter Glücksfall. Schweine hatten einen hohen Wert, bedeuteten sie letztendlich doch Nahrung, Nachkommen und Wohlstand. So wandelte sich das Trostschwein zum Glücksschwein. Mehr gute Wünsche zum Jahreswechsel kann man nicht ausdrücken als mit einem Glücksschwein, auf dem ein Schornsteinfeger reitet und das in der Schnauze einen Glücksklee oder -pfennig hält.

Der Volksmund spricht aber auch von „armen Säuen“ und meint damit die, denen es „echt dreckig“ geht. Das ist der traurige Zustand der meisten Schweine, schaut man auf deren Haltungsbedingungen. Sie brauchen wie alle Tiere Respekt. Entwürdigen wir sie nicht zu Billigfleischlieferanten.

 

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zuletzt bearbeitet am 4.I.2022