27. Jan. 2022
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Warum spielen Tiere?
Sophie Zimmermann
Wer in Parks spazieren geht, in welchen Hunde frei herumlaufen dürfen, beobachtet ein ausgeprägtes Spielverhalten der Tiere. Es wird sich gejagt oder Bällen und Stöcken hinterhergerannt. Auch stolze Katzenbesitzer wissen, dass diese vor allem in jungem Alter gerne mit ihren Geschwistern oder den Menschen spielen. Doch was steckt hinter diesem Spielverhalten? Kann man das Spielen auch bei erwachsenen Tieren in freier Wildbahn beobachten? Und wie kann Spielen überhaupt definiert werden? Diese Themen sind Gegenstand der modernen Verhaltensforschung.
Als Spielverhalten werden, aus dem Kontext herausgelöste eigenmotivierte Verhaltensweisen ohne erkennbaren Ernstbezug, bezeichnet. Also ein Handeln, ohne dabei direkt ein ernsteres Ziel zu verfolgen. Das Verhalten tritt wiederholt und spontan in stressfreier Umgebung auf. Lange wurde dieses Verhalten nur lernfähigen Tieren, darunter hauptsächlich Säugetiere, aber auch Vögel, zugesprochen. Doch sogar bei Reptilien, Amphibien, Fischen und Wirbellosen wurden Individuen beim Spielen beobachtet: So setzt sich ein Komodowaran gerne einen leeren Eimer auf den Kopf oder spielt mit alten Schuhen und Bällen. Frösche wurden in einem Aquarium dabei beobachtet, wie sie auf Luftblasen am Boden des Aquariums ritten oder kleine zweckfreie Ringkämpfe untereinander austrugen. Selbst große Salzwasserkrokodile wurden des Öfteren dabei gesichtet, wie sie mit Bällen herumtollen. Bei den Wirbellosen zeigen nur Oktopusse eine Art Spielverhalten, indem sie auf spielerische Weise mit neuen Objekten umgehen oder Objekte mit einem Wasserstrom herumstoßen. In all diesen Beispielen wirken die Tiere offenkundig, als hätten sie Spaß. Bei Säugetieren kann das Empfinden von Emotionen wie Freude zweifelsfrei bestätigt werden. Denn die hormonelle und neurophysiologische Grundausstattung ist dieselbe wie bei uns Menschen. Forscher an der Humboldt-Universität Berlin haben jüngst Ratten das Kinderspiel „Verstecken“ beigebracht. Dabei schlüpften die Ratten sowohl in die Rolle des Suchenden als auch des Gesuchten. Am Ende jedes Versuchsdurchlaufs wurden sie belohnt. Während des Spiels wurde jedoch deutlich, dass die Tiere nicht für die Belohnung spielten, sondern Spaß daran haben. So versuchten die Ratten sich, nachdem sie gefunden wurden, erneut zu verstecken, um das Spiel in die Länge zu ziehen oder gaben, während sie suchten, so die Forscher, fröhliche Quiek-Laute von sich. Die Forscher halten es für möglich, dass Ratten auch in natürlicher Umgebung mit ihren Artgenossen Verstecken spielen, auch wenn dies bisher noch nicht beobachtet wurde.
Denn neben dem Spaß hat das Spielverhalten auch einen ernsten Hintergrund. Vor allem bei Jungtieren werden dabei spielend Fähigkeiten gelernt, welche später überlebensnotwendig sind. Zum Beispiel die Flucht vor Räubern, Balzverhalten oder die Jagd von Beutetieren. Durch die häufige Wiederholung werden neuronale Verschaltungen geschaffen und die Bewegungsabläufe automatisiert. Das Spielen ist also eine Vorbereitung auf das erwachsene Leben. Bei Erwachsenen kann das Spielen dagegen die sozialen Beziehungen innerhalb einer Gruppe festigen oder die individuellen Fähigkeiten trainieren. Erkunden und Neugier sind ebenfalls zentrale Elemente von Spielverhalten.
Das vor allem bei Hunden das Spielen auch im erwachsenen Alter sehr stark ausgeprägt ist, hängt mit der jahrtausendelangen Domestikation zusammen. Evolutionsbiologen vermuten, dass die Bereitschaft der Hunde, mit dem Menschen zu spielen, währende der gesamten Domestikation von Bedeutung war. Das Spielen stärkt nicht nur die Bindung zwischen Hund und Besitzer, sondern vereinfacht es auch, ihn zu trainieren.
zuletzt bearbeitet am 1.II.2022