3. März 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Koloquinte gegen „die bösen Säfte aus dem Darm“

 Astrid von Reis

Die Fastenzeit hat begonnen – viele Menschen nutzen die sieben Wochen vor Ostern und üben sich in Verzicht oder im Fasten. Das kann das „Dumme-Gewohnheiten-Fasten“ sein oder auch das Leben ohne Nahrung für eine gewisse Zeit, um in Form zu bleiben oder wieder in Form und zu sich zu kommen. Der Einstieg in das Körperfasten gelingt am besten mit einer gründlichen Entleerung bzw. Reinigung des Darms. Da liegt es nahe, über eine Pflanze zu berichten, deren purgierende Wirkung genutzt wurde, um „die bösen Säfte aus dem Darm“ abzuleiten: die Koloquinte, auch Purgiergurke, Bitter- oder Teufelsapfel genannt.

Die Koloquinte trägt den botanischen Namen Citrullus colocynthis, gehört zur Familie der Kürbisgewächse (Curcubitaceae) und wird als Medizinalpflanze angebaut. Wie die meisten Kürbisgewächse ist sie eine eher niederliegende Rankpflanze mit bis zu zwei Meter langen verzweigten, kantig gefurchten und behaarten Stängeln. Die langgestielten, handförmigen und handgroßen behaarten Blätter haben meist fünf vorgezogene Endlappen und erinnern an Wassermelonenblätter. Die einhäusigen Blüten stehen einzeln in den Blattwinkeln und haben fünfteilige, weitglockige, gelbe Kronblüten, die etwa von Juni bis August blühen. Die apfelsinengroßen Früchte werden im Oktober reif und sind goldgelb oder grüngelb gestreift. Die glatte, harte Schale umschließt weißes, schwammartiges, bitteres und giftiges Fruchtfleisch, in dem grün-braune, essbare Samen liegen, die zur Ölgewinnung genutzt werden können.

Wahrscheinlich stammt die Koloquinte ursprünglich aus den afrikanischen Tropen. Sie wächst wild als mehrjährige Pflanze in dürren Steppen und Halbwüsten im Mittelmeerraum, im südwestlichen Asien und in Ostindien. Mit ihrer großen, fleischigen Wurzel mit einem hohen Wassergehalt ist sie optimal für trockene Regionen mit sandigem Boden ausgestattet. In Mitteleuropa kann sie nur als einjährige Pflanze kultiviert werden, deren Früchte oft nur im Gewächshaus reifen.

Nomen est omen – so beschreibt „colocynthidis“, zusammengesetzt aus „kolon“ für „Eingeweide“ und „kineein“ für „bewegen“, ziemlich genau die Wirkung der Frucht. So wendeten bekannte Ärzte und Kräuterkundige wie Hippokrates und Dioskurides vor allem die Früchte bei Erkrankungen des Bauches und Verstopfung an. Auch im Alten Testament wird die Pflanze als Abführmittel, aber auch als „Tod im Topf“ erwähnt. Die Gelehrten Karls des Großen befanden die Pflanze als so bedeutend, dass sie alsdann nicht mehr in den Karlsgärten fehlen durfte. Doch wie Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1494 – 1541) richtig erkannte, gilt gerade auch hier: Die Dosis macht das Gift. Früh war bekannt, dass die „Coloquint ist eyn boeß gifftige artznei, letziget den magen und die leber, betrübet die andern inwendigen glider auch, zerreißt die adern, schabt die daerm, bringt das krimmen, den bluotfluß, und laem in glidern“, wie der Wormser Stadtarzt Philipp Begardi im 16. Jahrhundert schrieb. Hauptverantwortlich hierfür sind Cucurbitacine, zytotoxisch, antimitotisch und cancerogen wirkende glykosidische Bitterstoffe. Bis ins 19. Jahrhundert wurde die purgierende Wirkung der Heilpflanze genutzt. In der Homöopathie wird die Koloquinte in ganz geringen Dosen heute eingesetzt gegen Magen-, Darm-, und Gallenkoliken, gegen Regelschmerzen und Neuralgien.

Verwechslungen der Koloquinte mit Wassermelonen führen mitunter zu Vergiftungen. So kommt es im Karlsgarten in Aachen leider immer wieder vor, dass Pflanzenteile oder gar ganze Pflanzen geklaut werden. Eines Tages fanden auch die hübschen kleinen Koloquintenfrüchte bei jemandem Gefallen. Traurig und gefährlich. Wir hoffen, dass die Bitterstoffe von weiterem Essen abgehalten haben.

Heute sind für das erfolgreiche Reinigen des Darms, je nach Typ und Veranlagung, Mittel wie Sauerkrautsaft, Molke, Buttermilch, in Wasser gelöstes Glaubersalz oder Einläufe angesagt – die Purgiergurke ist für die Eigenanwendung ungeeignet.

 

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zuletzt bearbeitet am 7.IV.2022