18. Aug. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Blumenwiesen – ein bedrohter Lebensraum

 Karl Josef Strank

Blumenwiesen sind in. Das ist gut so, denn statt „Einheitsgrün“ wird es in den Dörfern und Städten bunter. In Reaktion auf das Bienensterben, das sich sehr bald aufgrund der Langzeitbeobachtungen des Krefelder Entomologen-(Insektenkundler-)Vereins als deutlich dramatischeres und umfassendes Insektensterben entpuppte, wurden Blühstreifen entlang von Straßen, auf Kreisverkehrsinseln, auf Dorfplätzen und an vielen anderen Orten angelegt.

Ideale Blumenwiesen erleben wir in den Bergen, auf Almwiesen, begleitet vom Geläut glücklicher Kühe. Die Flächen werden im Alpsommer vom Vieh „bestoßen“, gut zu bearbeitende Almwiesen werden zur Heuernte gemäht. Über Generationen sind diese Wiesen weitestgehend frei von Buschwerk und Bäumen gehalten worden, werden sie aufgegeben, erobert der Bergwald sie Zug um Zug zurück. Wo immer es geht, düngen die Almbauern sie auch. Dann verschwindet die bunte Blumenvielfalt zugunsten einheitsgrüner, nährstoffreicher Gräser fürs Vieh. Wiesen werden von Weiden unterschieden. In Mitteleuropa sind beide nicht natürlichen Ursprungs. Über Jahrhunderte haben Menschen sie zum Zweck der Nahrungsmittelproduktion durch Rodung dem Wald abgerungen. Wiesen werden durch Mahd, Weiden durch das Vieh kurzgehalten. Als Grünland werden sie von Äckern und Wald abgegrenzt.

Die Verfügbarkeit von Wasser bestimmt, ob Nass- und Streuwiesen (Nutzung nur als Einstreu fürs Vieh) oder Voll- bzw. Halbtrockenrasen ausgebildet werden. Wesentlicher Faktor ist dann noch der Nährstoffgehalt. Die bisher genannten Wiesentypen sind nährstoffarm. Die klassische Blumenwiese liegt in Bezug auf Nährstoffe und Feuchte im mittleren Bereich und wird nach dem vorherrschenden Gras als Glatthaferwiese bezeichnet. Ist sie trockener kann sich eine Salbei-Glatthaferwiese und ist sie feuchter eine Kohldistel-Glatthaferwiese ausbilden. Auf diesem Niveau sind die Wiesen vergleichsweise artenreich. Wird durch intensive Düngung der Nährstoffgehalt weiter gesteigert, verarmen die Wiesen. Bei ständiger Güllezufuhr kommt der Löwenzahn zur Dominanz, im Frühjahr erblüht eine solche Güllewiese gelb über dem frischsatten Grün der Gräser. Es folgen Scharfer Hahnenfuß und Wiesenkerbel, diese gelten aber als mindere Futterpflanzen. Daher werden zur Steigerung des Ertrags dann Hochleistungsgräser wie das Weidelgras eingesät. Gegebenenfalls zusammen mit Klee, was dann eine Wiese aus nur zwei Arten erzeugt. Getoppt wird das nur noch durch den feldmäßigen Anbau einer Grasart zur Erzeugung von Silagefutter. Derart intensiv durch Einsaat und Düngung gepuschte Ackerwiesen können mehrfach im Jahr gemäht werden. Die modernen Erntegeräte tragen das ihre dazu bei, dass die Artenvielfalt auf der Strecke bleibt. Das in Schwaden gelegte Mähgut wird abgesaugt, gehäckselt und zum Transport auf Wagen geblasen. Kleintiere und Samen werden ebenso gründlich abgesaugt.

Die extensiv bewirtschafteten und mageren Wiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen unserer Landschaft, aber auch zu den am meisten gefährdeten. Die traditionelle Bearbeitung der Wiesen mit erster blumenreicher Heumahd und anschließender zweiter bis mehrmaliger Grünmahd (Grummet oder Öhmd genannt) hat den Artenbestand der Wiesen geschaffen. Eine Rückkehr zu Mahd und Beweidung lässt bei mäßiger bis keine Düngung (Magerrasen) wieder Bedingungen entstehen, unter denen Blumen, Insekten und Vögel leben können und zurückkehren. Eine solche Wirtschaftswiese gilt vielen Landwirten heute als unwirtschaftlich. Landwirte, die in Verantwortung für den Natur- und Artenschutz dennoch extensiv wirtschaften, unterstützt der Staat über das Instrument „Vertragsnaturschutz“ mit Ausgleichszahlungen.

Die Wiese im Rabental an Gut Melaten wird seit 1996 außer durch die Beweidung mit Schafen nicht gedüngt. Der anfängliche, starke Blühaspekt des Löwenzahns lässt allmählich nach. Blumen wie Wiesen-Bocksbart, -Flockenblume, -Kerbel, -Bärenklau, -Pippau, scharfer Hahnenfuß, Wicken, Hornklee und Labkräuter kehren zurück. Die Ausmagerung geht aber langsam voran und braucht noch viele Jahre.

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zuletzt bearbeitet am 5.X.2022