6. Okt. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ajowan – der königliche Kümmel

 Karl Josef Strank

Kümmel ist ein sehr altes Gewürz, das die einen lieben genauso wie es die anderen hassen. Kümmel gehört zu den Doldengewächsen. In dieser Familie sind zahlreiche Gewürz- und Heilpflanzen versammelt: Petersilie, Dill, Anis, Koriander, Sellerie, Kerbel, Bärwurz, Fenchel, Möhre, Pastinak und weitere. Charakteristikum dieser Familie ist, dass sich viele kleine Blüten schirmartig zu einer Dolde organisieren. Die Blüten haben einen zweiteiligen, verwachsenen, unterständigen Fruchtknoten, d.h. Kron-, Staubblätter und Narbe sitzen oben auf. Zur Fruchtreife trennt sich dieser wieder in zwei Hälften (Merikarpien), zwei längliche oder rundliche Samen. Deren Wände sind durchzogen von Ölgängen, infolge riechen die Samen der Umbelliferen meist aromatisch.

Als Kümmel werden in der Familie einige Arten bezeichnet: Carum carvi, der Wiesen-Kümmel, Laserpitium siler, der Bergkümmel, Cuminum cyminum, der Kreuzkümmel. Auch der Ajowan oder Adjowan, Ammi copticum, fällt darunter. Weitere Namen sind Herren-, Mohren- oder Königskümmel. Heute wird er der Gattung Trachyspermum zugeordnet. Linné stellte ihn in die Verwandtschaft der Knorpelmöhre, Ammi, weswegen er auch die Namen Kretischer und Ägyptischer Amei trägt.

Ajowan ist einjährig und sieht aus wie wilde Petersilie. Dem echten Kümmel oder dem Kreuzkümmel ist er sehr ähnlich. Er wächst aufrecht, ist kahl, mäßig verzweigt und wird bis zu 90 cm hoch. Die entfernt stehenden Blätter sind filigran in feinste Abschnitte und pinnate Fiederchen unterteilt. Fünf bis fünfzehn weiße Blüten bilden eine Dolde. Die Früchte sind rauhaarig, worauf der Gattungsname Trachyspermum Bezug nimmt, eiförmig und graubraun.

Heimisch ist er in Indien, wo er in den Provinzen Madhya Pradesh, Andhra Pradesh, Gujarat, Maharashtra, Uttar Pradesh, Rajasthan, Bihar und West Bengal angebaut wird. Ebenso kultiviert man ihn in Pakistan, Afghanistan, im Iran und in Ägypten. Wild kommt er auch in Äthiopien vor. Vermutlich wurde er zu medizinischen Zwecken bereits in der Antike zuerst in Ägypten kultiviert. Ajowan wächst auf fast allen Böden, besonders gut aber auf Lehm und tonigem Lehm. Er wird sowohl in Trockenkultur als auch unter Bewässerung angebaut. In Südasien wird er von September bis Oktober gesät. Geerntet wird nach etwa zwei Monaten, wenn die Dolden braun werden. Sie werden gepflückt, auf Matten nachgetrocknet und mit der Hand oder den Füßen gerebelt, was meint, dass die Samen von den Doldenstielen separiert werden.

Ajowan gelangte im frühen Mittelalter nach Europa, und man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass er auf den mittelalterlichen Märkten in den größeren Siedlungen als wohlriechendes und exotisches Gewürz aus dem Vorderen Orient gehandelt wurde. Die Früchte des Ajowan enthalten 3-4 % ätherisches Öl, das zu 45-50 % (bei Samen aus Südindien bis zu 98 %) aus Thymol besteht. Sie riechen in der Tat stark nach Thymian, sind aber als gleichwertiger Ersatz nicht geeignet. Gewürzkenner beschreiben die Aromen als eine Mischung aus Oregano, Anis und schwarzem Pfeffer. Gegen die Bitterkeit empfehlen sie, die Samen in Öl oder Butter zu rösten. In Indien nimmt man die Samen zum Würzen pikanter Speisen wie Curry-, Hülsenfruchtgerichten und zum Würzen von Gebäck.

Das reine Ajowan-Öl gewinnt man durch Destillation. Die Wirkung ist harntreibend, schleimlösend, krampflösend, beruhigend, verdauungsfördernd, schweißtreibend und stark antiseptisch. In der ayurvedischen Medizin Indiens findet Ajowan nach wie vor häufige Anwendung. Innerlich wird das Öl verwendet bei Erkältungen, Husten, Grippe, Asthma, Durchfall, Cholera, Koliken, Verdauungsstörungen, Blähungen, Ödemen, Arthritis und Rheuma. Allerdings ist Ajowan für Patienten mit übermäßiger Magensäureproduktion nicht geeignet. Allgemein ist bei der Verwendung Vorsicht geboten. Er kann allergische, insbesondere photosensible Reaktionen bei Kindern und Babies auslösen. Während der Schwangerschaft sollte er nicht eingenommen werden. Bereits Dioskorides beschrieb die kontrahierende Wirkung auf die Gebärmutter.

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zuletzt bearbeitet am 11.XI.2022