3. Nov. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Enten und Gänse

 Richard Zimmermann

Sowohl Gänseküken (Gänsel oder Gössel) als auch Entenküken (Entlein) gehören zur Gruppe der ausgeprägten Nestflüchter, was heißen soll, dass diese, sobald ihr Flaumgefieder trocken ist, bereits laufen, schwimmen und sogar tauchen. Ihre Nahrung suchen sie selbst, allerdings stets in Begleitung und unter Führung der Mutter (Gans oder Ente). Die Jungtiere sind auf ihre Eltern, meistens auf das Muttertier, geprägt, wodurch die Gössel oder Entlein sich durch nichts ablenken lassen und ohne Wenn und Aber nur der Gans oder Ente folgen. Ein entscheidender Unterschied zwischen Enten und Gänsen liegt darin, dass Gänse üblicherweise Familien bilden, wobei auch der Vater, die männliche Gans (Gänserich, Ganser, Ganterich oder Ganter), eine zentrale Rolle in der Gemeinschaft spielt und diese vor Gefahren schützt und Feinde abwehrt. Enten hingegen führen ihre Jungtiere fast ausschließlich alleine ohne den Vater beziehungsweise die männliche Ente (Enterich oder Erpel).

Das Prägeverhalten von Enten oder Gänsen ist nicht auf ihre Artgenossen beschränkt, sondern kann beispielsweise auch von einem Menschen übernommen werden. Vor allem in der Verhaltensforschung wurden solche Prägungen genauer untersucht. Hierbei konnte festgestellt werden, dass eine Ente sich zwar auf den Menschen prägen lässt, aber spätestens als adultes Tier ein normales Verhalten an den Tag legt. Hingegen sind Gänse ihr ganzes Leben lang auf diese Person geprägt, selbst, nachdem diese geschlechtsreif sind. Dies hat teilweise zur Folge, dass die ersten Annäherungen dem Menschen gelten, was allerdings auch gefährlich enden kann. Sehen Gänse in einem anderen, nicht auf sie geprägten Menschen eine Konkurrenz, kann es durchaus passieren, dass diese Gänse versuchen, andere fernzuhalten. Solche Attacken äußern sich mit einem Fauchen oder aber auch mit einem Angriff durch Beißen und Hacken mit dem Schnabel oder im schlimmsten Fall mit einem Flügelschlag, der bei besonders großen und kräftigen Arten durchaus Knochen brechen kann. Darüber hinaus haben Gänse ein äußert ausgeprägtes Territorialverhalten und sind sehr aufmerksam. Sie können ausgezeichnet sehen, hören und riechen, weshalb ein Eindringen in ihr Revier durch Fremde schnell erkannt wird und mindestens mit einem alarmhaften Warnruf und Drohgebärden beantwortet wird. Aufgrund ihres Verhaltens können Gänse durchaus als Wachhunde dienen. Legendär ist die historische Begebenheit, dass beim Überfall der Kelten auf Rom, die schlafenden Wachen im Kapitol durch schnatternde Gänse geweckt und alarmiert wurden.

Aber auch die Haltung von Gänsen mit anderen Vögeln ist nicht ratsam. Einige berichten von schwer verletzten oder getöteten Hühnern, die in das Territorium von Gänsen eingebrochen sind, um sich am leckeren Futter zu bedienen. Diesen Diebstahl akzeptieren Gänse normalerweise nicht. Enten hingegen sind etwas friedfertiger, aber sie machen auch nicht davor halt, andere Vögel wie beispielsweise Blesshühner zu überfallen und deren Nahrung zu rauben.

Am wohlsten fühlen sich Gänse auf durch Kühe vorbereiteten Weideflächen mit nicht zu dichtem Bewuchs. Sie ernähren sich nahezu ausschließlich pflanzlich und bevorzugen flaches, fußläufiges Gelände. Fliegen zehrt zu viel Kraft, weshalb das Laufen im Gänsemarsch die Regel ist. Ihre liebste Nahrung sind kurze Gräser, bei denen gezielt junge Triebe gefressen werden. Diese frischen Triebe sind reich an Protein und genau die werden durch übliches Grasen von Kühen regelrecht gefördert und vorbereitet, wenn die älteren und höheren Grashalme bereits weggefressen sind. Entsprechend fühlen sich Gänse ganz besonders auf Kuhweiden wohl und sind dort häufig anzutreffen. Eine lockere Weidegemeinschaft, die so noch vor allem früher in Norddeutschland gezielt von Landwirten praktiziert wurde. Enten hingegen sind Allesfresser und nehmen alles, was ihnen vor den Schnabel kommt und hineinpasst. So machen sie auch nicht vor Kaulquappen, Würmern, Schnecken oder gar Steinen und Sand halt. Letztere werden allerdings nur aufgenommen, um die Verdauung von schwer bekömmlichen Mahlzeiten zu erleichtern.

 

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zuletzt bearbeitet am 6.XII.2022