10. Nov. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wenn die Tassen im Schrank rappeln - Erdbeben im Rheinland

 Joachim Schmitz

Erdbeben sind häufiger als man denken mag. Anfang 2021 hat der Landeserdbebendienst eine ganze Serie in der Eifel bei Rott und Mulartshütte registriert. Die Beben am 2. und 14. Januar erreichten Stärken (fachlich korrekt: Magnituden) von 2,8 bzw. 2,7 auf der Richterskala. Das war noch bis Aachen zu spüren. Beim Geologischen Dienst ist eine Tabelle der jüngsten 10 Beben im ganzen erfassten Gebiet zu finden (https://www.gd.nrw.de/gg_le_letzten_10_erdbeben.php). Das Jüngste war am 29. Okt. bei Kretz in der Vulkaneifel (Stand 6. Nov.).

Die Erdkruste besteht aus Platten, die ständig in Bewegung sind. Dabei können sie zusammenstoßen und Gebirge auffalten. Sie können sich gegeneinander verschieben, eine unter der anderen abtauchen oder sich ausdehnen. Alles das führt natürlich zu erheblichen Spannungen, die auch innerhalb der Platten dazu führen, dass kleinere Schollen abplatzen und sich gegeneinander bewegen. Wenn sie sich dabei verhaken, bauen sich große Spannungen auf, die sich schließlich ruckartig entladen, was man dann als Erdbeben wahrnimmt.

Meist spielt sich das tief unter der Erdoberfläche ab. Diesen eigentlichen Ort des Erdsprungs nennt man das Hypozentrum (griech. hypo = unter). Der Ort auf der Erdoberfläche darüber heißt Epizentrum (griech. epi = auf, über). In jüngster Zeit konnte man den Begriff Epizentrum auch in anderen Zusammenhängen lesen. Das ist aber Unsinn. Leute, die das Wort ohne Bezug auf Erdbeben benutzen, haben keine Ahnung oder sind Wichtigtuer - wahrscheinlich beides zusammen.

Unser Gebiet liegt im Spannungsfeld zweier großer geologischer Prozesse. Von Süden drückt die afrikanische Platte gegen die eurasische. Das hat nicht nur die Alpen aufgetürmt. Eine leichte Hebung ist bis in die Eifel zu messen.

Zum Zweiten entsteht am mittelatlantischen Rücken ständig neuer Meeresboden. U.a. dehnt sich die Norwegen-Grönland-See aus. Dadurch sinkt der Untergrund am Niederrhein ab und wird gezerrt, so dass er in mehrere Schollen zerbrochen ist. Diese bewegen sich gegeneinander und überschieben sich. Das kann gleichmäßig geschehen. Sie können sich aber auch verhaken und sprungartig verschieben.

Die Niederrheinische Bucht gehört zu den erdbebenaktivsten Gebieten Mitteleuropas. Das fängt im Südosten bei Bonn an und erstreckt sich nach Nordwesten keilförmig breiter werdend bis in die Niederlande. Aachen befindet sich gerade noch am südwestlichen Rand der Rurscholle. Die größten hier durch Erdbeben geschaffenen Sprünge heißen Feldbiß und Sandgewann. Diese altertümlichen Namen stammen aus dem Bergbau. Die Bergleute waren die ersten, die damit konfrontiert waren, dass Kohlenflöze abrupt enden, um dann etliche Meter versetzt weiterzugehen.

Eindeutig mit der Feldbiß-Störung in Verbindung zu bringen sind die Beben in Herzogenrath von 1873 und 1877 mit einer (nach den Wirkungen geschätzten) Magnitude von 4,6. Die größten historischen Beben in der Niederrheinischen Bucht waren Düren 1756 (geschätzte Magnitude 5,6), Peelrandbruch bei Roermond 1932 (5,4), Euskirchen 1951 (5,1), Heinsberg 1971 (4,4). Das jüngste schwere Beben unter Roermond 1992 erreichte eine Magnitude von 5,9.

„Neuere Untersuchungen an den Verwerfungen der Niederrheinischen Bucht ließen zu, nun auch die Auswirkungen starker Erdbeben aus vorhistorischer Zeit zu erforschen. Diese Erkenntnisse der Paläoseismologie haben gezeigt, dass in unserer Region auch Beben bis zu einer Magnitude von 7 möglich sind.“ (gdreport 2021/1:7)

Um das richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass die Richterskala logarithmisch ist. Das bedeutet: Ein Beben der Magnitude 6,9 wäre nicht nur um etwa 1/6 stärker als das von Roermond von 1992 sondern 10 mal so stark!

 

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zuletzt bearbeitet am 6.XII.2022