15. Dez. 2022
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Echte Vanille, die Königin der Gewürze
Astrid von Reis
Nicht nur in der Weihnachtszeit ist das neben Safran teuerste Luxusgewürz, die Echte Vanille, sehr beliebt. Ob in Crème brûlée, Bayrischer Creme, Kuchen, Plätzchen, Schokolade oder raffinierten Speisen der haute cuisine was wären sie ohne das überragende Aroma der Früchte von Vanilla planifolia, Jack, der Echten Vanille oder Gewürzvanille aus der Familie der Orchideen (Orchidaceae). Die ursprünglich in Mexiko und Zentralamerika beheimatete immergrüne tropische Kletterpflanze ist schon bei den Azteken als Gewürz- und Heilpflanze sehr beliebt, sie gilt als Königin der Gewürze.
Um 1510 kamen die ersten Früchte mit den spanischen Eroberern nach Europa und wurden zur kostbaren Handelsware. Pflanzen durften mit Androhung von Todesstrafe nicht ausgeführt werden. Erst nach der Unabhängigkeit Mexikos von Spanien im 19. Jahrhundert war es Nationen wie Frankreich und Niederlande möglich, Pflanzen der Echten Vanille in ihren Kolonien in den Tropen anzubauen. So wurde und ist Madagaskar mit 80 Prozent Hauptproduzent der Planifolia-Vanille. Madagaskar, Réunion (früher Île Bourbon nach den Bourbonen) und die Komoren gründeten 1964 eine Alliance de la Vanille. Ihre Vanille wird unter der geschützten Herkunftsbezeichnung Bourbon-Vanille vertrieben und gilt als besonders hochwertig.
Neben der Echten Vanille, deren Früchte 96 Prozent des Welthandels ausmachen, werden noch die im Hinblick auf den geringeren Gehalt an Vanillin eher minderwertigen und für Extrakte verwendete Guadeloupe-Vanille (Vanilla pompona, Schiede, Anbau vor allem auf den Westindischen Inseln) und die meist in der Parfümindustrie genutzte Tahiti- Vanille (Vanilla tahitensis, Moore, Anbau vor allem in der südpazifischen Region ) kommerziell verwendet.
Die Blätter der Echten Vanille sind bis zu 25 Zentimeter lang und acht Zentimeter breit, dunkelgrün, nicht oder nur kurz gestielt, länglich-oval, flach anliegend (planifolia) und sitzen in lockeren Abständen an den bis zu 15 Meter langen Sprossachsen, die natürlicherweise an Bäumen und in Plantagen an Stellagen hochklettern. Die Echte Vanille ist eine epiphytische Orchidee und versorgt sich mit Wasser und Nährstoffen über viele, aus der Sprossachse wachsenden Luftwurzeln. Die Blütenstände mit bis zu 30 duftenden, gelb-weißen, wachsartigen Blüten entspringen in den Blattachseln im oberen Bereich der Pflanze.
Die Blüten fangen nacheinander für nur jeweils acht Stunden an zu blühen. Ihr komplizierter Aufbau ermöglicht es lediglich Bienen der Gattung Melipona und einigen Kolibris in ihrer Heimat, sie zu bestäuben. Anderswo muss die Pflanze händisch bestäubt werden. Edmond Albius, ein zwölf Jahre alter Sklavenjunge auf Réunion, erfand im Jahr 1841 eine bis heute genutzte Methode, bei der mit einem Holzstäbchen die Narbe freigelegt und mit der anderen Hand die Pollen (Pollinium) auf diese aufgedrückt werden. Bis zu 1500 Blüten können so pro Arbeiter:in und Tag bestäubt werden.
Vanille leitet sich vom spanischen „vainilla“ ab und bedeutet „kleine Hülse oder Schote“, doch botanisch gesehen entsteht eine bis 30 Zentimeter lange Kapselfrucht, die nach etwa neun Monaten reif ist, aufplatzt und kleine glänzende, schwarze Samen frei lässt. In Kultur werden die noch grünen Kapseln kurz vor der Reife geerntet und in einem zeit- und arbeitsintensiven Verfahren behandelt, fermentiert und getrocknet. Erst bei der Fermentation wird aus Vanillinglucosid Vanillin gebildet, welches zusammen mit Guajacol, Piperonal und bis zu 200 weiteren Inhaltsstoffen, den typischen Geschmack entstehen lässt, an den ein künstlich beziehungsweise synthetisch oder biosynthetisch (mit Bakterien) hergestelltes Vanillin nicht heranreicht. Abschließend ist die Kapsel geschrumpft, ledrig weich, dunkelbraun, leicht glänzend und damit zur bekannten Vanillestange geworden.
Für Mensch und Umwelt empfiehlt es sich, fairtradezertifizierte Biovanillestangen zu kaufen: Sie sind nachhaltig und laut Test besser im Geschmack.
zuletzt bearbeitet am 23.I.2023