22. Dez. 2022
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Das Rentier Auch ohne rote Nase ein erstaunliches Wintertier
Sophie Zimmermann
Weihnachten steht vor der Tür und ein Tier findet in dieser Zeit besonders Beachtung: Das Rentier. Am bekanntesten ist wohl die Geschichte von dem rotnasigen Rudolf, der zusammen mit anderen seiner Art den Schlitten des Weihnachtsmanns zieht. Denn das amerikanische Lied „Rudolph, the Red-Nosed Reindeer“ fehlt auch hier in Deutschland auf kaum einer Weihnachts-Playlist. Das bekannte Lied basiert auf einem 1939 erschienenen Malbuch von Robert Lewis May. Die Verflechtung zwischen Menschen und Rentier geht jedoch noch viel weiter zurück. Denn die Tiere wurden bereits auf steinzeitlichen Höhlenzeichnungen dargestellt. Auch wird vermutet, dass Rentiere von Neandertalern (vor 230.000 bis 30.000 Jahren) gejagt wurden, deren Hauptnahrungsquelle große Säugetiere bildeten. In Sibirien wurden Rentiere schließlich um 1000 v. Chr. domestiziert und hauptsächlich als Last- oder Zugtiere eingesetzt.
Das Rentier oder Ren (Rangifer tarandus) gehört zur Familie der Hirsche und ist damit die einzige domestizierte Hirschart. Heute sind Rentiere in den sehr nördlichen Breiten Nordamerikas, Europas und Asiens verbreitet. Der nordamerikanische Vertreter des Rentiers heißt Karibu und wurde im Gegensatz zu seinen eurasischen Verwandten nicht domestiziert, sondern von den indigenen Völkern lediglich bejagt. Rentiere leben zirkumpolar, sie sind also weltweit in einem gewissen Radius um die Pole herum verbreitet. Ihren Lebensraum bilden Tundra, Taiga und subalpine Gebiete. Das Rentier ist deshalb optimal an niedrige Temperaturen und extreme winterliche Bedingungen angepasst. Durch ihre breiten Hufe mit elastischer Haut ist das Laufen auf gefrorenem oder schlammigem Untergrund kein Problem. Die große Nase des Rentiers, die nicht rot, sondern dunkelbraun ist, wärmt die kalte Luft, bevor sie in der Lunge ankommt. Eine erstaunliche Eigenschaft der Rentiere ist es außerdem, dass sie ihre Augenfarbe von sommerlichem Goldgelb auf Dunkelblau im Winter umstellen. Dadurch wird das einfallende Licht im Sommer reflektiert und im Winter gestreut, wodurch die Rezeptoren für das Hell- und Dunkelsehen (Skotopisches Sehen) stärker angeregt werden. Die Umstellung erfolgt durch eine physiologische Umstrukturierung des aus Kollagenbündeln bestehenden Tapetum lucidum, einer Schicht hinter der Augennetzhaut. Da es in den natürlichen Lebensräumen des Rentiers Sommermonate ohne Nacht und Wintermonate ohne Sonne gibt, ist diese Form der Anpassung an die Lichtverhältnisse sehr vorteilhaft.
Auch können Rentiere bis zu 80 Stundenkilometer schnell laufen und eiskalte Gewässer durchqueren. Durch ihr dichtes Fell entstehen Luftpolster, die den Körper gegen die Kälte isolieren und zudem Auftrieb geben. Diese Eigenschaften sind von Vorteil, da Rentiere mit bis zu 6.000 Kilometern die weitesten Strecken unter den Landsäugetieren zurücklegen. In riesigen Herden sind sie auf der Suche nach Nahrung. Diese besteht im Sommer aus pflanzlicher Kost der Tundrawiesen und im Winter aus Flechten, Moosen und Pilzen. Nach den großen jahreszeitlichen Wanderungen lösen sich die Herden in kleinere Verbände von zehn bis maximal hundert Tieren auf. Die Gruppen sind hierarchisch nach der Größe des Geweihs aufgebaut und bestehen entweder nur aus jungen männlichen (Hirsch) oder nur aus weiblichen Tieren (Kuh). Die geschlechtsreifen Männchen sind dagegen häufig Einzelgänger. Die stark verzweigten Geweihe sind abweichend von anderen Hirscharten bei beiden Geschlechtern zu finden, wobei das der Weibchen kleiner ist. Von September bis Anfang Oktober findet die Brunft, also die Paarungszeit der Rentiere statt. Der Hirsch versucht die Weibchen mit Rufen auf sich aufmerksam zu machen und eine Gruppe von etwa zwölf Kühen um sich zu scharen. Ziel des Männchens ist es, sich mit möglichst allen Kühen seiner Gruppe zu verpaaren. Nach einer Tragzeit von circa 230 Tagen werden ein bis zwei Kälber zur Welt gebracht. In den ersten Tagen zieht sich die Mutter mit den Kälbern zurück und schließt sich später wieder ihrer Herde an.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Rentier durch seine besonderen Eigenschaften der anspruchsvollen Aufgabe, den Schlitten des Weihnachtsmanns zu ziehen, gewachsen wäre. Nur zum Fliegen wird ein wenig weihnachtliche Magie benötigt.
zuletzt bearbeitet am 23.I.2023