9. Febr. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kleine Stoffe, die unbemerkt unsere Umwelt vermüllen

Richard Zimmermann

Fast jede Pflanze und jedes Tier und damit auch der Mensch produzieren Ausscheidungen irgendeiner Art. Pflanzen nutzen größtenteils Sonnenlicht, CO2 und Wasser, aber auch in geringeren Mengen notwendige Stoffe wie beispielsweise Mineralstoffe oder Spurenelemente zum Wachstum. Hierbei entstehen Ausscheidungen primär in Form von Sauerstoff und Glukose. Aber nicht alle Stoffe können verwertet werden. Toxische oder nicht brauchbare Stoffe, die über die Wurzeln aufgenommen werden, werden auf bestimmte Weise unschädlich gemacht. Innerhalb der Pflanze werden schädliche Stoffe erkannt und in Vakuolen (zentrale Zellbereiche) transportiert. Vakuolen übernehmen verschiedenste Aufgaben, unter anderem sorgen sie für den Zelldruck, wodurch die Pflanze ihre Stabilität erhält. Darüber hinaus findet dort eine Verdauung oder Speicherung von Abfällen beziehungsweise giftigen Stoffen statt. Das bedeutet also, dass die Pflanze in der Lage ist, nicht benötigte Stoffe durch einen internen Mülleimer auf die Seite zu schaffen beziehungsweise in dieser Vakuole so zu speichern, dass die Stoffe keinen Schaden anrichten können.

Genauso wie Pflanzen besitzen Tiere respektive wir ähnliche Zellen (Lysosome). Das Fettgewebe oder Organe sind ebenfalls Speicher- oder Verwertungsorte für unbrauchbare Stoffe. Aber ein Großteil der nicht benötigten Stoffe wird über den Verdauungstrakt ausgeschieden. Im schlimmsten Fall, wenn zu viel nicht entfernbarer Müll im Organismus vorhanden ist, macht selbstverständlich die Menge das Gift, weshalb trotz dieser vielen Mechanismen ein Körper irgendwann versagt.

Die Giftmenge wird durch die Vielzahl an synthetisch hergestellten Stoffen erhöht, die teilweise nicht oder nur schwer durch natürliche Prozesse abgebaut werden können. Da die Erde ein geschlossener Kreislauf ist, vergiften wir letztlich nicht nur die Umwelt, sondern auch uns selbst. Entsorgen wir also unsere Abfälle oder hier spezieller unsere Ausscheidungen vorzugsweise täglich über Toiletten oder andere Abflüsse, so finden diese ihren Weg zurück in die Umwelt. Hierin enthalten sind neben den Stoffen im Urin und Kot auch zusätzliche Spurenstoffe wie beispielsweise Hormone, Arzneimittel oder Mikrokunststoffe. Diese mikroskopisch kleinen Stoffe vermüllen also unsichtbar unsere Umwelt.

Bereits die hochzivilisierten Römer bauten, genauso wie wir heute noch, Schwemmkanalisationen. Diese haben die Aufgabe, Abwasser schnellstmöglich aus Siedlungsgebieten zu befördern. Hauptgrund dafür sind Gestank und Dreck, allerdings auch nicht unwesentlich die Hygiene. Früher und auch heute noch leiten viele Länder ihre Abwässer direkt in Flüsse oder Meere, so dass immer noch etwa 80 Prozent der Abwässer auf der Erde ungereinigt der Natur wieder zufließen. Die anderen 20 Prozent werden vorher mittels Abwasseraufbereitungsanlagen behandelt. Allerdings dienen diese nicht dazu, das Abwasser in reines Trinkwasser umzuwandeln, sondern es nur so aufzubereiten, dass es für die Vorfluter (daran angeschlossene Gewässer) unbedenklich ist, wodurch eine gewisse Grundbelastung akzeptabel ist. Die meisten Kläranlagen funktionieren biologisch, also mit Hilfe von Bakterien. Diese fressen unserer Verdauungsabfälle, wobei wieder andere Stoffe produziert werden. Somit wird der Kreislauf also wieder geschlossen. Vermeintlich. Denn die zuvor angesprochenen Spurenstoffe und Mikrokunststoffe, die teilweise synthetisch hergestellt werden, können in der Natur nicht zersetzt werden. Zumindest ist dies bisher nicht bekannt. Es ist bereits eine vierte Reinigungsstufe auf Kläranlagen im Gespräch, bei der solche Stoffe größtenteils entfernt werden sollen. Allerdings stellen die Umsetzung und Vereinheitlichung seit Jahren ein Problem dar.

Bereits bekannt ist, dass wir die meisten Medikamente teilweise fast vollständig wieder ausscheiden. Hierüber gelangen dann Hormone, die beispielsweise Fische verweiblichen oder Antibiotika, durch die Bakterien Multiresistenzen entwickeln, in Gewässern oder in Pflanzen und Früchten. Lagern Pflanzen die genannten Spurenstoffe in ihre Vakuole ein, kann es sein, dass wir diese bei dem Verzehr der Pflanze aufnehmen. Auch Rückstände von Coronaviren können in Abwässern nachgewiesen werden. Unser Trinkwasser wird ebenfalls aus solchen Gewässern gewonnen, (mehr oder weniger gut) aufbereitet und uns zur Verfügung gestellt. Ein Kreislauf eben.

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 2.III.2023