2. März 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kunststoffe – Segen oder Fluch

  Karl Josef Strank

Neulich bin ich an einer Landstraße entlanggelaufen. Dabei fielen mir auf Schritt und Tritt, weil das Gras jetzt im Winter niedriger ist, jede Menge kleiner Plastikverpackungen und sonstiger Abfall auf, den vorbeifahrende Autofahrer einfach so aus dem Fenster geworfen haben. An Haltestellen, wo Leute auf den Bus warten, und anderen Versammlungsorten, häufen sich Zigarettenkippen, ganz zu schweigen von Resten unzähliger Kaugummis, die nach dem Genuss einfach auf die Straßen gespukt werden. Das Verhalten nennt man Littering. Darunter versteht man per Definition 1. das ungeordnete Wegwerfen von Verpackungen ohne vorheriges Sortieren und 2. das Wegwerfen von Müll in die Umgebung. Engagierte umweltbewusste Mitbürger*innen starten im Frühjahr gerne Säuberungsaktionen, um dieser Vermüllung entgegen zu wirken. Mancher staunt, welche Mengen bei solchen Aktionen zusammengesammelt werden. Nachschub ist aber genauso schnell wieder in der Landschaft verteilt. Das Problem bleibt und hat inzwischen globale Ausmaße angenommen. Riesige Mengen von Plastikkunststoff gelangen jedes Jahr in die Umwelt und letztlich in die Meere. Auf Taucherkundungen wurden Plastiktüten sogar schon im fast 12.000 Meter tiefen Marianengraben gefunden. Bei der Obduktion verendeter Wale stellten Meeresbiologen fest, dass deren Mägen voller Plastikmüll waren. Sie verhungerten schlichtweg, denn für Nahrung war kein Platz mehr. Meeresschildkröten, weltweit gefährdet, verwechseln im Meer treibende Plastiktüten mit Quallen, von denen sie großenteils leben und sterben daran. Unzählige Meeresvögel, Robben und Fische verheddern sich in Netzen und Tauen, „Abfälle“ der Fischereiindustrie, die einfach über Bord „entsorgt“ werden. Aber aus den Augen aus dem Sinn funktioniert nicht, denn Plastik im Meer zersetzt sich unter UV-Strahlung und zerfällt in viele mikroskopisch kleine Bestandteile, die schließlich als Mikroplastik Eingang in die Nahrungskette finden. Wale schlucken bis zu 10 Millionen kleinste Kunststoffteilchen pro Tag. Menschen verzehren wöchentlich 5 g, die Menge einer Kreditkarte, an Mikroplastik; kein Wissenschaftler kann seriös sagen, mit welchen Folgen für unsere Gesundheit. Glaubt man den Unkenrufen, gibt es bald mehr Plastik im Meer als Fische. Doch ist das unausweichlich und muss es soweit kommen?

An ein Totalverbot von Kunststoffen zu denken, ist unrealistisch. Es sind zu viele verschiedene Stoffe mit spezifisch guten Eigenschaften für bestimmte Anwendungen. Über die Art der Verwendung muss man aber intensiv nachdenken. Braucht es die unendliche oft nur aus Vermarktungsinteressen entwickelte Vielfalt der Produkte oder genügt auch eine vereinheitlichte kleinere Produktpalette. Das Verbot und die deutliche Reduzierung von Einwegprodukten ist der richtige Weg. Langlebige und mehrfach verwendbare Gebrauchsgegenstände machen Sinn. Das vollmundig gegebene Recyclingversprechen muss eingelöst werden. Grundlegende Voraussetzung dafür ist die sortenreine Sammlung. Tonnen von gemischten Plastikabfällen dürfen nicht nach Afrika und Asien verscherbelt werden. Hoffnungsfroh stimmen neueste Forschungsansätze, passende Mikroorganismen zu finden und zu züchten, die Plastik „fressen“. Zuletzt machten Meldungen von kompostierbaren Kunststoffen für Verpackungen die Runde. Grundsätzlich ja, aber nicht innnerhalb der in Kompostanlagen üblichen Durchlaufzeiten für die Verrottung organischer Haus- und Gartenabfälle. Aus Gründen der Qualitätssicherung macht sich die Kompostwirtschaft für ein Verbot dieser „kompostierbaren“ Plastiktüten stark. Dennoch sollten alle diese Ansätze weiterverfolgt und erforscht werden.

Eines kann aber jeder in eigener Verantwortung tun. Nicht alles nur wegwerfen. Beim Bergwandern gibt es einen Grundsatz, der auch bei allen anderen Aktivitäten in der freien Natur gelten sollte: Alles, was auf den Berg geschleppt wird, geht auch wieder mit zurück ins Tal! Völlig richtig und gut so. Doch was machen die Profis? Das Aufstiegslager am Mount Everest ist glaubhaften Berichten zufolge inzwischen eine riesige Müllhalde.

 

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zuletzt bearbeitet am 2.IV.2023