15. Juni 2023
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Schlafmaus mit der Zorromaske
Veronika Bernhardt
Der Gartenschläfer (lat. Eliomys quercinus) ist ein nachtaktiver Kleinsäuger aus der Familie der Bilche. Bilche, Schläfer oder Schlafmäuse sind mausartige Nagetiere mit großen Ohren und großen, schwarzen Knopfaugen und einem meist buschigen Schwanz. Der Gartenschläfer ist mit einer Körperlänge von zehn bis 17 Zentimetern, einer Schwanzlänge von acht bis 15 Zentimetern und einem Gewicht von 60 bis 90 Gramm (vor dem Winterschlaf bis etwa 150 Gramm) eine mittelgroße Schlafmaus. Sein Fell ist an Rücken und Flanken graubraun bis rotbraun, am Bauch weiß bis grauweiß gefärbt.
Typische Kennzeichen des Gartenschläfers sind zum einen, dass der dicht behaarte Schwanz in einer kleinen Quaste endet und vor allem die markante schwarze Gesichtszeichnung, die brillenähnlich die Augen einfasst und jeweils bis zu den Ohren reicht. Diese schwarze, unverwechselbare Gesichtsmaske hat dem Gartenschläfer den Spitznamen „Zorro“ eingebracht.
Er lebt omnivor, das heißt, er ist ein Allesfresser mit einem vielfältigen Speiseplan. Je nach Verfügbarkeit frisst er vermehrt pflanzliche Kost wie Blüten, Früchte oder Samen, vertilgt aber auch gerne Würmer, Schnecken, Insekten, sogar Nestlinge von Vögeln oder Mäusen. „Zorro“ ist aber nicht nur Jäger, sondern auch Gejagter, der eine ganze Reihe verschiedener Fressfeinde hat, etwa Füchse, Marder, Hauskatzen, aber auch Luftfeinde wie Eulen und Käuze.
Wird die Verfolgungslage so brenzlig, dass der Feind den Bilch schon am Schwanz gepackt hat, so greift ein Fluchtmechanismus: Die Haut reißt dort ab (Sollbruchstelle) und der Gartenschläfer kann entkommen. Zurück bleiben ein paar enthäutete Schwanzwirbel, die allmählich eintrocknen und schließlich abfallen. Nach wenigen Wochen ist alles verheilt. Zurück bleibt ein etwas kürzerer Schwanz, der nicht nachwächst.
Da alle Bilche ausschließlich dämmerungs- beziehungsweise nachtaktiv sind, bekommt man sie quasi nie zu Gesicht. Sie suchen ihre Nahrung in offenen Landschaften wie Weinbergen, Gärten, Streuobstwiesen oder auch lichten Wäldern. Dort bauen sie sich in Bodennähe meist mehrere kugelige Schlafnester aus Moos, Gras, Laub oder Federn. Gelegentlich quartiert sich „Zorro“ auch in Nistkästen oder Gebäudezwischendecken ein, wo er den hellen Tag verschläft.
Für den Winterschlaf, etwa 183 Tage, sucht der Gartenschläfer Unterschlupf in tiefen Fels- oder Erdhöhlen. Im Frühjahr wird er wach und ist gleich aktiv. Es beginnt die Paarungsszeit (April bis Juli), wobei die Weibchen mit durchdringenden Pfeif- und Fieplauten ihre Paarungsbereitschaft signalisieren. Gartenschläfer leben polygam.
Im Mai/Juni werden, nach einer Tragzeit von 21 bis 23 Tagen, vier bis sechs Junge geboren, typische Nesthocker, deren Augen sich nach etwa 18 Tagen öffnen. Die Nestlinge werden vier Wochen lang gesäugt und sind bereits nach 40 Tagen selbstständig.
Ursprünglicher Lebensraum von Eliomys waren die Berge und der Wald. Wegen fehlenden Naturschutzes verkleinerte sich ihr Lebensraum jedoch kontinuierlich, es fehlte an Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten. Als Folge davon ergab sich ein Umzug der Gartenschläfer in die Städte, wo sie sich in Gärten und Parks ansiedelten. Allerdings sind sie auch hier gefährdet, da ausgebrachtes Rattengift oder Pestizide die Tiere häufig vergiften.
Im Idealfall wird das possierliche Tierchen bis zu fünf Jahre alt. In den vergangenen 30 Jahren beobachtet man in großen Teilen Deutschlands und Europas den größten Populationseinbruch unter allen Nagetieren. Aus mehr als 50 Prozent seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes ist der Gartenschläfer völlig verschwunden und wird in Deutschland auf der Roten Liste als stark gefährdet eingestuft. Und die Deutsche Wildtier Stiftung hat ihn zum Tier des Jahres 2023 ernannt. Der Gartenschläfer ist also massiv bedroht und sollte dringend geschützt werden!
zuletzt bearbeitet am 2.VII.2023