27. Juli 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Pillenwespe

 Sophie Zimmermann

Bei dem Wort Wespe denken die meisten vermutlich an die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), die gerne mal ein gemütliches Sommerpicknick stört. Doch die Familie der Vespidae ist mit 4000 Arten weitaus vielfältiger, als man ahnt. Alle heimischen Wespenarten sind in Deutschland geschützt, da sie wichtige Kettenglieder im Ökosystem darstellen. Sie dürfen demnach weder belästigt, gefangen oder verletzt noch getötet werden.

Die Pillenwespe, auch Eumenes pedunculatus, ist, wie der Name vermuten lässt, eine besonders interessante Wespenart. Sie gehört zur Gruppe der Lehmwespen, da sie für ihre Nachkommen krugförmige Brutzellen aus durchspeicheltem Lehm herstellt. In Deutschland leben sieben verschiedene Pillenwespenarten, welche sich in Aussehen und Verhalten stark ähneln. Ihren Lebensraum bilden deshalb häufig Lehm- oder Sandgruben, aber auch Heiden, Waldränder oder sonnige Hänge. Pillenwespen sind in warmen Gebieten ganz Mitteleuropas verbreitet.

Die Männchen der Pillenwespe werden zwischen 9 und 14 mm groß. Die Weibchen werden bis zu 15 Millimeter groß und sind an ihrem sehr langen „Stielchen“, das die kugelförmige Brust mit dem birnenförmig erweiterten Hinterleib verbindet, zu erkennen. Wie die anderen Wespenarten erscheint sie in gelbem und schwarzem Farbkleid.

Wenn das Weibchen im Sommer einen geeigneten Platz findet, fängt es mit dem Bau der Brutzelle an. Dazu werden an Pflanzenstängeln, frei gelegten Wurzeln oder Ästen nach und nach kleine Lehmkügelchen gehängt. Diese werden so modelliert, dass sich eine hohle Kugel mit kragenförmigem Eingang ergibt, die Ähnlichkeit mit einem Tonkrug hat. Durch den Eingang zwängt die Wespe ihren schmalen Hinterleib und befestigt an die innere Decke dieser sogenannten Brutpille ein Ei an einem dünnen Faden.

An diesem Punkt könnte die Brutfürsorge zu Ende sein, doch das Pillenwespen-Weibchen ist noch lange nicht fertig. Um den zukünftigen Nachwuchs mit Nahrung zu versorgen, erbeutet die Wespe ein halbes Dutzend Schmetterlingsraupen. Die Raupen werden durch eine Giftinjektion gelähmt und in die Brutpille gestopft. Anschließend wird die Brutzelle mit Lehm verschlossen und sich selbst überlassen. Insgesamt baut die Pillenwespe etwa sechs dieser Brutpillen. Aufgrund dieser Bauleistung wird die Wespe im Übrigen auch als Töpferwespe bezeichnet.

Die Larve der Pillenwespe ernährt sich von den vorbereiteten Raupen und ist bis zum Herbst ausgewachsen. Im März verpuppt sich die Larve und durchläuft die Metamorphose zum ausgewachsenen Insekt. Das Haus aus Lehm hat neun Monate unterschiedlichster Witterung getrotzt und wird im Mai von den starken Mundwerkzeugen der jungen Wespe aufgebissen.

Im adulten Stadium ernähren sich die Wespen übrigens rein vegetarisch von Nektar, Pflanzensäften oder Honigtau. Der Fleischkonsum ist also nur auf das Larvenstadium beschränkt.

Die töpfernde Wespe ist wieder einmal ein faszinierendes Beispiel für den Einfallsreichtum der Natur. Es gibt sogar Überlegungen, ob die kleinen Lehmgebilde einst bei indigenen Völkern als Vorlage für ihre Tonkrüge dienten. Diese Frage wird wohl demnächst nicht beantwortet, aber sicher ist, dass ein genauer Blick auf Flora und Fauna stehts Inspiration liefern kann.

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zuletzt bearbeitet am 13.VIII.2023