3. Aug. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Dachbegrünungen lösen Probleme

 Richard Zimmermann

Es ist absolut erstaunlich und nahezu unvorstellbar, dass sich in einer Handvoll Erde so viele oder sogar mehr Organismen befinden als Menschen auf der Erde existieren. Millionen bis Milliarden kleinster Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Algen leben dort und sind somit Hauptbestandteil der komplexen Nahrungskette. Ihre Aktivitäten sind extrem wichtig für unsere Natur. Eine große Zahl dieser Tierchen sind sogenannte Destruenten. Deren Hauptnahrung sind Pflanzenreste, tote Tiere oder andere Organik. Sie räumen also den natürlichen Müll auf. Als weiteren positiven Nebeneffekt verstoffwechseln sie diese Organik so, dass ihre Ausscheidungen wiederum Pflanzen als wertvoller Dünger zur Verfügung steht.

Ein bekannter Vertreter, den wir nicht mit Mikroskop beobachten müssen, ist der Lumbricus terrestris – oder auch der Gemeine Regenwurm. Von Gärtnern geschätzt, da er nicht nur ein Bodenindikator für gute Böden darstellt, sondern weil er ebenfalls als Destruent fungiert. Er frisst grobe Pflanzenreste und scheidet diese als Nährstoffe für Pflanzen wieder aus. Natürlich dient er auch als wertvolle Futterquelle für viele weitere Tierarten. Selbstverständlich gibt es auch noch eine lange Liste weiterer Tiere, die in unserem Erdboden leben, zu unserer wichtigen Nahrungskette gehören und grundlegend sind, um unsere Ökosysteme am Laufen zu halten.

Was hat das jetzt mit einer Dachbegrünung zu tun? Ganz salopp ausgedrückt zerstören wir mit jeder Bodenversiegelung von Straße bis Gebäude eine unaussprechbar große Anzahl an Lebensräumen. Ebenso dürfen auch weitere Mechanismen der Natur nicht außer Acht gelassen werden. Beispielsweise sorgen wir durch eine Flächenversiegelung dafür, dass das Grundwasser nicht mehr genügend mit frischem Regenwasser angereichert werden kann. Über eine Dachbegrünung könnte gereinigtes Wasser direkt in den Boden eingeleitet werden. Ist kein Bodensubstrat mehr verfügbar oder die Oberfläche versiegelt, kann der Boden nicht mehr als Pufferspeicher dienen. Es gibt also keinen Speicherraum mehr für das anfallende Regenwasser, weshalb unsere Kanalisationen oder Speicherräume größer werden müssen, um unsere Ortschaften vor Hochwasser zu schützen. Was also tun?

Singapur beispielsweise hat sich vorgenommen, die grünste und sauberste Stadt der Welt zu werden. Sicher gibt es einige Kritikpunkte, aber der Großteil der Dächer sind grün. Natürlich ist das Klima in Singapur so gut für Pflanzen, dass auf den Dächern vermutlich jede noch so exotische Pflanze wachsen würde. Allerdings ist das gar nicht nötig. In Deutschland können trotz der zugenommenen Dürreperioden auch viele tolle Pflanzen für eine Dachbegrünung eingesetzt werden. Um dem Problem von Hitzestress für Pflanzen aufgrund von heißen, trockenen Sommern zu umgehen, müssen wir nur die passenden Pflanzen einsetzen.

Sedum ist eine Pflanzengattung, die zur Familie der Dickblattgewächse gehören. Diese Gewächse haben einen großen Vorteil wie fast alle anderen Sukkulenten auch. Ihre Organe wie beispielsweise Blätter sind äußerst saftreich und dick und können daher eine sehr große Wassermenge speichern. Sedumarten können dadurch wie auch die wohl bekannteren Sukkulenten, die Kakteengewächse, großen und langen Hitzewellen standhalten. Ihr Vorteil ist also, dass sie eigentlich nicht gegossen werden müssen, Wasser speichern und somit zusätzlich zum Schutz vor Überschwemmungen und Überhitzung beitragen. Sie geben gespeichertes Wasser zu warmen Zeiten ab, wodurch das Mikroklima aufgrund des transpirierten Wassers abgekühlt wird. Davon abgesehen ist die Blütenpracht auch herrlich zu beobachten und für Insekten wie beispielsweise Bienen hervorragender Lebensnektar.

Dachbegrünungen können nahezu auf jede Dachschräge aufgebracht werden. Selbst bei uns beliebte Satteldächer können somit begrünt werden, sofern die Statik hierfür geeignet ist. Hierbei ist es ebenfalls möglich, auch Solarflächen mit einer Dachbegrünung zu kombinieren. Positiver Nebeneffekt ist, dass die Solarzellen im Sommer nicht überhitzen, wodurch es zu Leistungseinbußen kommt, da im Substrat und in der Begrünung gespeicherte Feuchtigkeit für die nötige Abkühlung sorgt. Übrigens wird durch das Mikroklima der Dachbegrünung auch das Gebäude an sich vor starker Hitze geschützt, wodurch es innen etwas kühler wird. Eine solche Dachbegrünung dient auch als zusätzliche Dämmung, wodurch nicht nur im Sommer das Gebäude vor Hitze geschützt ist, sondern auch im Winter etwas weniger Wärme verloren geht. Wir sehen also: Dachbegrünungen sind nicht nur in ökologischer Hinsicht, sondern für die Gebäudebewirtschaftung unerlässlich, wodurch sich viele aktuelle Probleme lösen lassen würden.

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zuletzt bearbeitet am 6.IX.2023