28. Sept. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Liegt im Trichter auf der Lauer: Der Ameisenlöwe

 Veronika Bernhardt

Wer bei der Bezeichnung Ameisenlöwe eine Ähnlichkeit oder Verwandtschaft zum Ameisenbär vermutet, der irrt gewaltig! Der Ameisenbär ist ein mehr als zwei Meter langes Säugetier, der Ameisenlöwe mit einer Körpergröße von ein bis 1,7 Zentimetern ein Winzling und zählt zu den Insekten! Allerdings ist er kein ausgereiftes, fertiges Insekt, sondern nur ein „Insektenkind“, die Larve der Ameisenjungfer. Aber alle drei Tiere lieben Ameisen als Nahrung.

Ameisenjungfern leben nach Verlassen ihres Kokons nur etwa drei bis vier Wochen, etwa von Mai bis August, und legen in dieser Zeit acht Eier in eine versteckte Sandgrube. Die aus dem Ei schlüpfende Larve, der Ameisenlöwe, hat mit zwei Jahren eine deutlich längere Lebensdauer und entpuppt sich als heimtückisches, nimmersattes Sandungeheuer. Die Benennung Ameisenlöwe kombiniert die Hauptbeute (Ameisen) mit der Raubtierhaftigkeit (Löwe) der Larve. Verbreitet über ganz Europa bevorzugt der Ameisenlöwe als Lebensraum vor allem sandige Gebiete oder Böden mit ähnlicher Rieseleigenschaft, die es ihm ermöglichen, seine Fangtrichter zum Beutefang anzulegen. Ameisenlöwen besitzen eine Reihe spezifischer Anpassungen im Körperbau, die ihnen diese räuberische Lebensweise ermöglichen. Der Körper ist rundlich abgeplattet, nur die Beine und der Kopf setzen sich deutlich ab. Die graue bis bräunliche Färbung des Körpers lässt ihn mit dem Untergrund verschmelzen, wobei in die Borsten aufgenommene Sandpartikel eine optische Zusatztarnung bewirken.

Die komplette Körperoberfläche des Ameisenlöwen ist mit Borsten unterschiedlicher Funktionen bedeckt. Sie dienen zum Graben, zum Fixieren des Körpers im lockeren Substrat und als Sinnesorgan, das sich nähernde potenzielle Beute meldet. Die kaum benötigten Augen sind stark zurückgebildet.

Interessanterweise ist die Körper-Außenhülle der Larve beinahe vollständig geschlossen. So wird das Eindringen von Sand und der Verlust von Wasser verhindert. Zudem scheidet das Tier nichts aus, denn die Nahrung wird beinahe vollständig verwertet. Somit ist es bestmöglich ausgestattet für das Leben in trocken-heißen Sandgebieten.

Alle Ameisenlöwen sind Räuber, und zwar in der Regel Lauerjäger, die auf das Bauen von Boden-Fangtrichtern spezialisiert sind. Solch ein Trichterbau erfordert etwa 15 Minuten Zeit, wobei die Larve mit ihrem Kopf und ihren beborsteten, ausladenden Kieferzangen loses Material bis 30 Zentimeter weit auswirft und durch Drehbewegungen ihres Körpers den Trichter erweitert und auf etwa drei Zentimeter vertieft. Nach Fertigstellung des Trichters hockt der Ameisenlöwe gut getarnt am Grund und wartet auf seine Beute: Ameisen, Spinnentiere und andere kleine Insekten. Gelangt die Beute an den Rand der Trichterböschung, so beginnt sie zu rutschen und gleitet unaufhaltsam in die Trichtermitte, wo der Ameisenlöwe, auf sein Opfer lauert. Er packt die Beute mit seinen Kieferzangen, über die er sowohl ein stark toxisches Gift (Lähmung), als auch ein Verdauungsenzym injiziert, sodass das Innere des Opfers aufgelöst wird und von ihm aufgesaugt werden kann. Überreste werden aus dem Trichter geschleudert.

Sollte das Beutetier verfehlt werden und will flüchten, so hat der Ameisenlöwe noch einen Trick auf Lager: Er bewirft den Flüchtenden gezielt mit Sandkörnern, sodass er zurück in den Trichter kippt. Nach zwei Jahren, ebenso vielen Häutungen und satt gefressen, ist der Ameisenlöwe reif für die Verpuppung. Er spinnt sich im Sand in einen kugelrunden Kokon ein, aus dem im Sommer die Ameisenjungfer schlüpft.

Aufgrund seiner Besonderheiten und seiner versteckten Lebensweise wurde der Ameisenlöwe (stark gefährdete Art!) schon zweimal vom Naturschutz in den Fokus gerückt: 2010 als „Insekt des Jahres“ und 2022 als „Heimlichtuer des Jahres“.

Selbst als Ideengeber für Filme stand der Ameisenlöwe Pate, etwa bei Biene Maja, wo eine Ameise gerade noch aus dem Trichter des Lauerers gezogen wird oder in „Star Wars“, wo Sarlacc ein kannibalisches Ungeheuer verkörpert, das als Trichtermonster in der Wüste haust. Auch bei „Pokemon“ haben sich die Entwickler bei der Figur Knacklion vom Ameisenlöwen inspirieren lassen.

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zuletzt bearbeitet am 1.X.2023