5. Okt. 2023
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Des einen Leid, des anderen Freud: Lupinen
Christina Paulson
Die farbenprächtig blühenden, bis zu 1,20 m hoch werdenden Lupinen mit ihren großen handförmig gefingerten Blättern zieren hierzulande so manchen Blumengarten. Meist handelt es sich dabei um die Vielblättrige Staudenlupine (Lupinus polyphyllus), die von Ende Mai bis in den August blau, rosa oder weiß blüht. Ihre endständigen, aufrechten, traubigen Blütenstände mit 50 bis 80 Blüten sind bis zu 50 Zentimeter lang. Die fünf Blütenkronblätter stehen in der typischen Form der zygomorphen Schmetterlingsblüte mit Schiffchen, Flügel und Fahne. Weltweit gibt es ca. 200 verschiedenen Lupinenarten, die zur Pflanzengattung Lupinus in der Unterfamilie der Schmetterlingsblütler (Leguminosae) innerhalb der Hülsenfrüchtler (Fabaceae) gehören.
Die Vielblättrige Staudenlupine kommt ursprünglich aus Nordamerika und wurde 1826 als Gartenpflanze nach England eingeführt und durch Züchtungen zu einer weit verbreiteten, in zahlreichen Farbvarianten kultivierten Gartenpflanze. Botaniker wiesen die ersten spontanen Vorkommen bei uns im Jahr 1890 in Bayern nach. Seitdem verbreitete sich die Art rasant und wächst heute bevorzugt an Straßen- und Eisenbahn- Böschungen, an Waldrändern und auf Lichtungen. Sie gehört zu den 15 häufigsten Neophyten (gebietsfremde Arten) in Deutschland. Ihre Samen befinden sich in behaarten Hülsen. Eine einzige Pflanze kann bis zu 2000 Samen bilden und diese mehrere Meter weit schleudern. Diese bleiben im Boden bis zu 50 Jahre keimfähig. Außerdem bildet die Staudenlupine unterirdische Ausläufer. Kraut und Samen enthalten giftige, bittere Chinolizidin-Alkaloide (Lupinin und Spartein), weshalb Weidetiere die Pflanze weitgehend meiden und diese sich daher an ihren Standorten gut verbreitet.
In etlichen Naturschutzgebieten, wie zum Beispiel auf den Bergwiesen im Biosphärenreservat Rhön ist die starke Verbreitung der Staudenlupine vor allem auf Magerstandorten inzwischen zum Problem geworden. Denn wie alle Leguminosen binden Lupinen mit ihren Knöllchenbakterien an den Wurzeln Luftstickstoff. Durch die Stickstofffixierung verändern sich magere, artenreiche Standorte dauerhaft. Wenn dann spezifische Futterpflanzen für Insekten, wie Schlüsselblumen oder Orchideen zurückgedrängt werden, finden die Insekten keine Nahrung mehr. Deshalb wird die Lupine auf Magerwiesen im thüringischen Teil des Biosphärenreservats Rhön inzwischen mechanisch durch gezieltes Ausstechen der gesamten Pflanze oder Absammeln der Blütenstände in einem EU-geförderten Projekt bekämpft.
Bei bestimmten Zuchtformen der Lupine züchtete man seit etwa 1920 die Bitterstoffe heraus. Diese “Süßlupinen“ enthalten kaum noch die bitteren Alkaloide und sind ungiftig. Wie alle Hülsenfrüchtler enthalten Lupinensamen Eiweiß, und zwar mit fast 40 % ähnlich viel wie Sojabohnen. Das Lupinen-Eiweiß enthält alle lebensnotwendigen Aminosäuren. Die Lebensmittelindustrie verarbeitet Süßlupinen zu Mehl, Aufstrichen, Nudeln, Proteinpulver und sogar zu Kaffee-, Milch- und Fleischersatz. Lupinenmehl gibt dem Brot einen leicht nussigen Geschmack und bindet aufgrund seines hohen Fettanteils den Teig gut. Außerdem enthält es wenig Stärke und kein Gluten. Die Samen sind außerdem reich an Vitamin E und wichtigen Spurenelementen wie Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen. Für Vegetarier sind Lebensmittel aus Süßlupinen daher eine Alternative zu Tofu-Produkten aus Soja. Lupinensamen-Mehl ist vor allem für Gluten-Allergiker interessant.
Lupinensamen finden sich bisher nicht im Einzelhandel. Da diese immer noch Reste an Alkaloiden enthalten, muss vor dem Handel geprüft werden, ob sie für den Verzehr geeignet sind. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt dringend davor, die Samen wilder Lupinen zu sammeln und zu essen, da man den Pflanzen nicht ansehen kann, ob es sich um giftige wilde Staudenlupinen oder gezüchtete, ungiftige Süßlupinen handelt. Lupinenalkaloide können unsere Nerven und die Verdauung schwer beeinträchtigen, Kreislaufbeschwerden und sogar eine Atemlähmung auslösen.
zuletzt bearbeitet am 14.XI.2023