23. Nov. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Speierling in der Medizin, in der Musik und im Most

 Karl Josef Strank

Wer auf der Autobahn 4 die Allee der Bäume des Jahres bewusst mit gelegentlichem Seitenblick auf die Schilder entlang fährt, dem fällt auch der Name „Speierling“ auf, Baum des Jahres 1993. Auf den ersten Blick kann man ihn mit der Vogelkirsche oder Eberesche, Sorbus aucuparia, Baum unserer Laub- und Nadelwälder, auf Lichtungen und Kahlschlägen, der in Gebüschen, Waldrändern, Wiesen aber auch Parks häufig ist, verwechseln. Sie hat Fiederblätter, halbkugelige Rispen mit vielen weißen Blüten und fruchtet im Herbst mit roten Beeren, die von einer Vielzahl Vögeln gerne gefressen werden.

Der Speierling. Sorbus domestica, hat ebenfalls Fiederblätter, die Fiederchen sind ungestielt im Gegensatz zur Vogelbeere, bei der sie kurzgestielt sind. Das beste Unterscheidungsmerkmal ist aber der Rand der Fiederblättchen. Bei der Vogelbeere ist dieser rundum durchgängig gezackt. Das ist auch beim Speierling der Fall mit Ausnahme der unteren Fiedern, die im unteren Drittel glattrandig sind. Ein weiteres nicht sehr scharfes Unterscheidungsmerkmal sind die Griffel der Blüten, beim Speierling (meist) 5 und bei der Vogelbeere (meist) 2-4. Eindeutig unterscheiden lassen sich beide aber an ihren Früchten. Im Gegensatz zu den vielen kleinen roten Beeren hat der Speierling wenige große Beeren, in der Form birnen- bis apfelförmig (2-3,5 cm lang, bis 3 cm breit), schwach bereift, grünlichgelb und sonnenseits gerötet. Das Fruchtfleisch hat viele Steinzellen. Die 1-4 eiförmigen, braunen Samen sind 8 mm lang.

Die ursprüngliche Verbreitung des Speierlings erstreckt sich von Südfrankreich über Italien, die Balkanhalbinsel und die Krim bis Nordanatolien. Bei uns ist er im Main-, Neckargebiet, in der Pfälzer Rheinebene, Mittelrhein und Mosel verbreitet.


Seit der Antike in Kultur beschreibt schon der Naturphilosoph Theophrast den Speierling und unterscheidet nach den Früchten runde, wohlriechende und süße von länglichen, eiförmigen Sorten, die weniger gut duften und oft sauer sind. Der Agronom Columella macht Angaben über deren Lagerung. Essbar sind die Früchte nur überreif, wenn sie eine teigige Konsistenz erlangt haben. Der kräuterkundige Arzt Dioskorides empfiehlt sie, auch getrocknet oder zu Mehl gemahlen, zur Stopfung des Stuhlganges. Die Schmerbirnen galten und gelten als Hausmittel bei Magen- und Darmerkrankungen. Hieraus erklärt sich, dass man sie gelegentlich heute noch ans Vieh verfüttert. Der Naturkundler Plinius Secundus beschreibt die in Italien vorkommenden Bäume und macht Angaben zur Verwendung des Holzes. Es ist feinfaserig, schwer, mittelhart, biegsam, dauerhaft und nur wenig schwindend. Speierling fällt zu selten an und geht ohne besondere Bewertung zusammen mit Birnen- und Elsbeerenholz in dem Sammelsortiment "Schweizer Birnbaum" auf. Er liefert ein gutes Furnier und wird heute noch gebraucht für Billardstöcke, Dudelsackpfeifen, den Cembalobau, Hobel, Einlegearbeiten, Holzschnitt, in der Tischlerei, Bildhauerei und für Drechselarbeiten. Historisch fand es Verwendung für Achsen, Ackergerät, Brillengestelle, Büchsenmacherei, Bugholz im Schiffsbau, Kegel, Ölmühlen, Pressen, Schrauben, Spindeln, Walzen, Zapfenlager und Zahnräder für Weinpressen und Getreidemühlen.

Aus den Früchten presst man einen Most, der säure- und bitterstoffreich ist. Die phenolischen Bitterstoffe sind in ihrer Wirkung mit den Tanninen (Gerbstoffe) in Rotwein vergleichbar. Sie sind antibakteriell und haben konservierende Eigenschaften. Tannin- und im ausgewogenen Verhältnis säurereiche Weine sind lange lagerfähig. Daher setzt man heute Apfelweinen aus geschmacklichen Gründen aber vor allem zur Verbesserung der Haltbarkeit bis zu 1% Speierlingsmost zu.

Eng verwandt ist die Elsbeere, Sorbus torminalis, die aufgrund ihres hohen Gerbstoffgehaltes schon zu Zeiten der Römer gegen Ruhr und Durchfall genutzt wurde. Die Elsbeere ist Bestandteil des Els, eines Magenbitter-Schnapses, der im Raum Aachen-Monschau wohlbekannt ist und gern getrunken wird. Am besten mit einem Stück Zucker, dann schmeckt er nicht nur, sondern wirkt auch wie Medizin.
(Anmerkung des Netzmeisters: Der Els hat mit der Elsbeere nichts zu tun sondern ist ein Wermutschnaps. In der Eifel heißt der Wermut deshalb auch Elskraut. Im Rheinfränkischen wurde Wermut Alsem oder Aelz genannt, was vermutlich sogar auf keltische Ursprünge zurückgeht..)

 

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zuletzt bearbeitet am 10.XII.2023