14. Dez. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Königin der Nacht und ihr kurzer Auftritt

 Karl Josef Strank

Der Name „Königin der Nacht“ weckt viele Assoziationen, die sehr unterschiedlich sein können. Mancher denkt an die Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte. In der berühmten Koloratur-Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ erweist sich die Schöne als Mutter mit teuflischen Absichten. Sie hat nur einen kurzen Auftritt, der aber in Erinnerung bleibt.

Es gibt auch eine Königin der Nacht unter den Pflanzen, einen Kaktus, Selenicereus grandiflorus. Dieser sieht die meiste Zeit des Jahres unspektakulär aus, wie ein typischer Vertreter der Kakteen. Beheimatet ist er in der nördlichen Karibik, Kuba, Dominikanische Republik, Jamaica. Die fingerdicken Triebe werden zwischen 100 und 300 Zentimeter lang und kriechen flach über den Boden. Finden sie einen festen Halt, wachsen sie aufrecht. Das Tropengewächs wächst als reiner Epiphyt (Aufsitzerpflanze) kriechend über sandigen Boden, steinige Felsen oder kletternd auf Bäumen. Als sukkulente Pflanze speichert sie Wasser in den verzweigten, länglichen Trieben, die bläulich grün und mit mehreren Reihen gelblich weißer, nadelfeiner Borsten besetzt sind. Diese stehen gehäuft in Areolen. Die sind typisch für Kakteen und werden entwicklungsgeschichtlich als in den Blattachseln sitzende Kurztriebe verstanden, die angepasst an den extrem trockenen Standort nicht auswachsen.

Aus den Areolen schieben sich auch die Blüten hervor. Es beginnt im Frühsommer mit kleinen, gestielten Knospen, die sich zu bräunlich weißen „Wattebäuschen“ entwickeln, die einige Zeit so verharren. Diese Blütenknospen öffnen sich nur, wenn die Standortbedingungen stimmen – also bei ausreichend Licht und Wärme. Hinzu kommt ein in der Pflanzenwelt vergleichsweise seltenes Phänomen: Die Blüten öffnen sich nur nachts, was den verheißungsvoll majestätischen Namen „Königin der Nacht“ erklärt. Bestäubungsökologisch lockt sie so am Naturstandort nachtaktive Partner an, vermutlich tropische Fledermäuse und Falter. Wenn sich die Blüten öffnen, erfolgt das nach einem exakten Zeitplan. Ab 22 Uhr brechen die Knospen auf, bis sie um Punkt 24 Uhr ganz offen sind. Ab 3 Uhr schließen sie sich wieder und sind bis zum nächsten Morgen verwelkt. In der Zeit der Blüte, die von etwa Ende Juni bis Anfang September dauert, sollte man die Königin der Nacht daher gelegentlich auch nachts gut im Auge behalten, sonst verpasst man das Schauspiel. Die vielen weißen Blütenblätter bilden einen im Durchmesser 25 bis 30 Zentimeter breiten strahlenförmigen Becher, der von gelblichen Hüllblättern umgeben ist und einen schweren Vanilleduft verströmt. In der Natur entwickeln sich nach erfolgter Befruchtung, die bei Zimmerpflanzen in der Regel unterbleibt, rote, essbare Beeren, die die Samen enthalten.

Handelsübliche Kakteenerde ist ein geeignetes Kultursubstrat oder humusreiche, saure Kübelpflanzenerde, die, großzügig mit Sand und Ton-Granulat gemischt, durchlässig und strukturstabil ist. Gießtechnisch sollte die Königin der Nacht von Frühjahr bis Herbst konstant leicht feucht gehalten werden. Im Winter braucht sie alle drei bis fünf Wochen etwas Wasser, damit der Wurzelballen nicht vollständig austrocknet. Soll sie blühen, so muss sie während der Vegetationsperiode, etwa von April bis August, gedüngt werden. Je nach Wuchsstärke reicht es, alle ein bis drei Wochen etwas flüssigen Blumen- oder Kakteendünger mit ins Gießwasser zu geben.

Als Zimmerpflanze benötigt die Königin der Nacht einen sehr großen und stabilen Topf, in dem sie mit einer Kletterhilfe in die Höhe gezogen wird. Im Frühjahr sollte sie anfangs jährlich, später nur noch alle drei bis fünf Jahre umgetopft werden. Bei guter Wüchsigkeit kann sie, wenn nötig, von Frühjahr bis Sommer zurückgeschnitten werden. Fünf bis zehn Zentimeter lange Schnittlinge können zur Vermehrung genutzt werden. Dazu werden sie rund vier Wochen getrocknet, bevor sie in Anzuchterde gesteckt werden. Zur Bewurzelung benötigen sie eine Bodenwärme von 25 Grad Celsius.

 

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zuletzt bearbeitet am 2.I.2024