28. Dez. 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Was hinter der Legende des Bernhardiners steckt

 Karl Josef Strank

Beim Stichwort „Bernhardiner“ denkt jeder unweigerlich an den gemütlichen, etwas massigen, weiß-braun gefleckten Schweizer Lawinenhund, der ein kleines Fässchen mit dem Nationalsymbol, weißes Kreuz auf rotem Grund, um den Hals trägt. Weniges ist typischer Schweiz als dieses Bild von einem Hund. Es ist das Ergebnis einer gelungenen Imagekampagne, die zur Legende geworden ist. Und es ranken sich viele Legenden um den Bernhardiner, weswegen es der Mühe wert ist, diese einmal auf den wahren Gehalt, der dahintersteht, zu untersuchen. Exponent dieser Rasse ist „Barry“, der Lawinenschutzhund, der im Laufe seines Lebens vierzig Menschen in Not bei Schnee und Frost vor dem Tod gerettet haben soll.

Den Namen haben die Hunde vom Hospiz auf dem Großen St. Bernhard. Als St. Bernhardshund sind sie nach der Fédération Cynologique Internationale (FCI), des größten internationalen kynologischen Dachverbands, inzwischen als Schweizer Hunderasse anerkannt. Der Hl. Bernhard von Aosta gründete das Hospiz um 1050 mit Unterstützung Irmingards, der Witwe König Rudolfs III. von Burgund. Augustiner Chorherren hielten ab dem 17. Jahrhundert Hunde zur Unterstützung von Rettungseinsätzen. Dazu arbeiteten die Mönche mit Hunden aus der Umgebung, Vorfahren der heutigen Sennhunde. Eine Zucht auf 2469 Meter ü.NN aufrecht zu erhalten war und ist sehr schwierig, deshalb wurden immer wieder Hunde nachgeführt. Außerdem wurden die Hunde nicht sehr alt, meist nur 6 bis 8 Jahre. Das typische Aussehen der Bernhardiner hat sich erst im Laufe der Zeit herausgebildet. Die Rüden sind 70-90 cm und die Hündinnen 65-80 cm groß (Widerrist). Die Behaarung (langhaarig oder stockhaarig) ist dicht und glatt anliegend, farblich weiß und rotbraun in verschiedenen Abstufungen. Weiße Flecken an Brust, Pfoten, Nase, Hals und Rutenspitze sind üblich. Eine weiße Halskrause und eine dunkle symmetrische Gesichtsmaske sind erwünschte Abzeichen.

Der Bernhardiner ist ein großer, kräftiger Hund. Sein Wesen ist trotz der beeindruckenden Größe sehr sensibel und von zuverlässigem Charakter. Er ist sanftmütig und liebevoll sogar Fremden gegenüber. Er ist ruhig, ausgeglichen, sucht und braucht aufgrund seiner Anhänglichkeit den engen Kontakt zur Familie. Ihr gegenüber zeigt er ein ausgeprägtes Beschützerverhalten. Er tritt selbstsicher auf, nicht selten ist er ein typischer „Dickkopf“. Diese Eigenschaften prädestinieren ihn als Hof-, Wach- und Begleithund. Als Lawinensuchhund ist er heute von leichteren und wendigeren Rassen abgelöst worden. Er kann aber hervorragend ausgebildet und eingesetzt werden als Zug- und Begleithund. Körperliche Höchstleistungen kann man ihm kaum abverlangen, gleichwohl wollen sie beschäftigt sein und brauchen von ihrem Umfeld Zuneigung und Pflege. Ideal zur Haltung sind ein Haus mit großem Garten, regelmäßiger Auslauf und ausgedehnte Spaziergänge.

Im Jahr 2005 verkauften die Augustiner Chorherren die Zucht, die bis dahin auf dem Großen St. Bernhard stattfand, an eine Stiftung, die sie nun fortführt. Etwa die Hälfte der Hunde befinden sich in den Sommermonaten aber auf dem Hospiz. Diese Bedingung haben die Mönche beim Verkauf festgeschrieben, denn die Hunde sind eine wichtige Touristenattraktion auf dem Pass, wo eine große Zahl von Souvenirs dieser legendären Rasse feilgeboten werden. Pure Legende ist aber das berühmte Schnapsfässchen um den Hals, mit dem die Hunde den Lawinenopfern entgegenliefen, um ihnen einen Schluck zur Aufwärmung zu geben. Diese Erzählung stammt vermutlich von einem Soldaten Napoleons, der von großen Hunden berichtete, die Reisende im Schnee aufspüren und ihnen Branntwein bringen. In Wirklichkeit haben die Fässchen keine Öffnung und waren wohl eher Schmuckstücke. Abgesehen davon ist Alkohol bei Unterkühlung kontraproduktiv, denn er entzieht dem Körper nur umso schneller die Wärme.

Bernhardiner zählen zu den Molossoiden, das sind schwere und kräftige Hunde. Alle diese Hunde haben eine geringe Lebenserwartung. 30 Prozent sterben im Alter vor fünf, 52 Prozent vor acht und 74 Prozent werden keine zehn Jahre alt. Viele leiden an Hüftgelenksdysplasie und Magendrehung. Nicht alle Zuchtziele, die Menschen sich ausdenken, sind auch für die Tiere gut.

 

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zuletzt bearbeitet am 2.I.2024