1. Febr. 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Warum der Faulbaum auch Pulverholz heißt

 Karl Josef Strank

Ein weiterer bemerkenswerter Strauch unserer heimischen Flora, der leicht mit dem vor einigen Wochen vorgestellten Purgier-Kreuzdorn verwechselt werden kann, ist der Faulbaum, Frangula alnus. Er ist ein aufrechter, anderthalb bis drei Meter hoher Strauch, gelegentlich bei freiem Wuchs bis zu sieben Meter großer Baum. Er hat eine graubraune, flach längsrissige Borke. Die jungen Triebe sind rund und weisen viele längliche, hellbraune Korkwarzen auf. Die eiförmig zugespitzten bis fünf Millimeter langen Winterknospen haben keine Knospenschuppen im Unterschied zum Kreuzdorn. Den Knospenschutz übernehmen in Knospenlage verharrende, rotbraune Blättchen, die sich später im Frühjahr zu vollen funktionstüchtigen Laubblättern entfalten. Diese stehen wechselständig mit acht bis zwölf Millimeter langen Stielen, breit eiförmigen vier bis sechs Zentimeter langen am Ende stumpfen Spreiten.

Im Unterschied zum Kreuzdorn (vier-zählig und eingeschlechtig) sind die Blüten fünf-zählig und zwittrig. Sie haben kleine anderthalb bis drei Millimeter lange grünlichweiße Kelch- und ein bis zwei Millimeter lange weiße Kronblätter. Die fünf bis zehn Millimeter lang gestielten Blüten stehen zu drei bis sieben gruppiert in den Blattachseln der diesjährigen Zweige.

Die Staubblätter werden von den Kronblättern kapuzenartig bedeckt und der Fruchtknoten steht frei im Blütenbecher. Daraus entwickelt sich eine sieben bis acht Millimeter große kugelige Steinfrucht mit zwei bis drei Kernen und saftig-fleischiger Außenwand. Diese wechselt zur Fruchtreife die Farbe von grün über rot zu glänzendem Schwarzviolett, was wiederum für Vögel das Signal ist, diese zu fressen und so zur Verbreitung des Faulbaums beizutragen.

Die Blütezeit ist von Mai bis August und die Fruchtreife erstreckt sich von Juli bis Oktober. Blütenbildung und Frucht überlappen sich und die unscheinbaren Blüten bieten mit ihrem im offenen Blütenbecher abgesonderten Nektar über eine lange Zeit die Belohnung an, die Bienen, Fliegen, Wespen und Käfer gerne als Gegenleistung für die Bestäubung annehmen. Sollten die Bestäuber zum Beispiel bei ungünstiger Witterung mal ausbleiben, ist auch Selbstbestäubung möglich.

Der Faulbaum ist in Erlenbruchwäldern, Birkenmooren, Auwäldern aber auch in Laub-, Laubmisch- und Nadelwäldern anzutreffen auf staunassen bis wechselfeuchten, mageren, basenreichen oder sauren Böden. Er besiedelt tiefgründige Torf- ebenso Lehm- Ton- und Sandböden in Gesellschaft mit Schwarz- und Grauerlen, Traubenkirschen, Schneeball, Roter Heckenkirsche und Purgier-Kreuzdorn.

Er ist verbreitet vom nördlichsten Nordwestafrika über Spanien bis Westsibirien. Bei uns findet man ihn vielerorts vom Norddeutschen Tiefland über die mittleren Gebirgslagen und in den Alpen bis auf 1400 Meter ü.NN aufsteigend. Die Gattung Frangula ist mit 50 Arten vorwiegend in Eurasien und Nordamerika beheimatet.

Der Name Frangula leitet sich ab vom Lateinischen frangere, was brechen bedeutet. Er nimmt Bezug auf das recht brüchige Holz. Das Epitheton alnus ist der Gattungsname der Erle, mit der vergesellschaftet er oft vorkommt.

Wegen des fauligen Geruchs der frischen Rinde heißt er im Deutschen Faulbaum. Aus seiner Rinde wird die Droge „Cortex Frangulae“ gewonnen. Inhaltsstoffe sind vor allem Anthraglycoside. Die Samen enthalten Glukofrangulin. Beide Substanzen haben stark abführende Wirkung vergleichbar wie beim Purgier-Kreuzdorn. Als Drogenlieferant hat der heimische Faulbaum seine Bedeutung allerdings eingebüßt. Ein im pazifischen Nordamerika vorkommender Verwandter, Frangula purshiana, wird heute bevorzugt. Er liefert die Droge „Cortex Rhamni purshianae“, die vor allem sogenannte Cascaroide enthält. Vor Gebrauch muss die Rinde beider Arten für längere Zeit, ein beziehungsweise zwei Jahre, gelagert werden.

Das Holz des Faulbaums ist grobfaserig, leicht, weich, hellgelb im Splint und ziegelrot im Kern. Es wird in der Tischlerei verwendet für Drechselarbeiten, Holznägel und Fassspunde. Aus dem Holz hergestellte Holzkohle liefert beste Qualität für die Zubereitung von Schießpulver. Schwarzpulver besteht aus einer Mischung von 75 (Gewichts-)Prozent Kaliumnitrat (Salpeter), 15 Prozent (Faulbaum-)Holzkohle, und zehn Prozent absolut säurefreiem Schwefel. Daher hat er auch den Namen Pulverbaum oder Pulverholz.

 

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zuletzt bearbeitet am 5.III.2024