8. Febr. 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Liebstöckel im Mittelalter ein Garant für Eheglück
Ruth Gestrich-Schmitz
Würzige, heiße Suppe schmeckt in der kalten und jecken Jahreszeit besonders gut. Wem die Suppe noch nicht intensiv genug gewürzt ist, greift gerne zur Maggi-Flasche. Ich persönlich bevorzuge Kräuter, die schon Karl der Große kannte, um die Suppe richtig schmackhaft zu machen. Liebstöckel (Levisticum officinale) ist solch ein Kraut, dessen Geruch und Geschmack an Maggiwürze erinnern, und das deshalb auch Maggikraut genannt wird. „Das riecht, wie wenn meine Oma Suppe kocht“, bemerkte einmal ein Vorschulkind, als es im Karlsgarten ein Liebstöckelblatt zwischen den Fingern rieb.
Der ursprünglich aus dem Iran oder Afghanistan stammende Liebstöckel ist eine ausdauernde Pflanze aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae), die bis zweieinhalb Meter hoch werden und eine Breite von einem Meter erreichen kann, wenn sie an einem sonnigen bis halbschattigen Standort mit feuchtem, nährstoffreichem Boden wächst. Aus dem fleischigen Wurzelstock treibt im Frühjahr ein feingerippter, hohler Stängel mit langen, dunkelgrünen, glänzenden, zwei- bis dreifach gefiederten Blättern. Von Juni bis August erscheinen fast handgroße, vielstrahlige, doppeldoldige Blütenstände mit kleinen gelblichen, nektarreichen Blüten, eine wertvolle Bienenweide im Hochsommer. Im Spätsommer entwickeln sich daraus kleine elliptische, braune, gerippte Samen.
Im römischen Kochbuch des Apicius ist eine Pflanze mit der Bezeichnung ligusticum eines der häufigsten in den Rezepten genannten Gewürze. Ob es sich dabei um Liebstöckel handelt, ist möglich, aber nicht belegt. Im Mittelalter wurde Liebstöckel in Klostergärten, Haus- und Bauerngärten kultiviert und ist bis heute ein beliebtes Küchenkraut.
Liebstöckel, auch Liebrohr, Luststock oder Badkraut genannt, wurde im Mittelalter eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben. So sollen junge Mädchen ihr Badewasser mit Liebstöckelwurzel aromatisiert haben, um die Liebe eines Mannes zu gewinnen. Ja, sogar kleine Mädchen wurden schon von ihren eifrigen Müttern darin gebadet, um späteres Eheglück zu garantieren. Manch junger Mann trug einen Liebstöckel-Stängel bei sich, um die Zuneigung seiner Angebeteten zu gewinnen.
In der Volksheilkunde wird Liebstöckel, vor allem die Wurzel, aber auch der Wurzelstock und die Samen, seit langem verwendet. So liest man im mittelalterlichen Lehrgedicht „Macer floridus“ des Odo Magdunensis: „Mit Wein genossen, heilt das Liebstöckel einen geblähten Magen, unterstützt die Verdauungskraft und hilft auch allen Leiden der Gedärme, treibt ferner den Harn und sorgt für geordnete Monatsblutung.“ Hildegard von Bingen empfiehlt Liebstöckel zum Lösen des Schleims bei Husten. Hauptsächlich das in allen Pflanzenteilen enthaltene ätherische Öl mit seinen verschiedenen Bestandteilen ist für die harntreibenden, keimhemmenden, krampflösenden, verdauungsfördernden, schleimlösenden und schweißtreibenden Eigenschaften verantwortlich. Medizinisch anerkannt sind heute die harntreibende und antimikrobielle Wirkung der Wurzeldroge. Deshalb wird Liebstöckel zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten eingesetzt.
Wegen ihres intensiven Aromas sind die Blätter des Liebstöckels, frisch oder getrocknet, ein beliebtes Gewürz. Ob Suppen und Eintöpfe, Fleisch- und Pilzgerichte, Gemüse, Eierspeisen, Kräuterbutter oder Quark, Liebstöckel verleiht den Speisen ein sehr würziges Aroma.
Bald steht wieder der Valentinstag, das Fest der Liebenden, vor der Tür. Mit Blumen, Geschenken und Liebesbriefen drückt man sich gegenseitige Zuneigung aus. Wie wäre es diesmal mit einem leckeren Essen, das mit Liebstöckel verfeinert ist?
zuletzt bearbeitet am 5.III.2024