15. Febr. 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Frühlingserwachen im Februar

 Joachim Schmitz

Jetzt ist die Zeit, in der man egal ob in der Natur oder im Garten ungeduldig auf das erste Grün wartet. In der Phänologie, also der Einteilung des Jahres nach charakteristischen Blüten, kommt vor dem Frühling der Vorfrühlung. In dieser Phase befinden wir uns jetzt.

Wohl der bekannteste Zeiger des Vorfrühlings ist das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis). Von Natur aus kommt es im süddeutschen Voralpenraum vor, wo es kalendarisch viel später blüht als die verwilderten Bestände im Rheinland. Um diese Zeit fliegen noch keine bestäubenden Insekten. Das Schneeglöckchen kann sich aber selbst bestäuben und die Samen werden von Ameisen verbreitet. Durch diese Eigenschaften ist es inzwischen auch im Flachland weit verbreitet und voll eingebürgert.

Leichter haben es Sträucher. Sie müssen nicht darauf warten, dass der Boden hinreichend warm geworden ist. Die Knospen sind nur Luft und Sonne ausgesetzt und können sich so viel schneller erwärmen und damit früher austreiben. Das beste Beispiel ist die Haselnuss (Corylus avellana). In milden Wintern habe ich blühende Pflanzen schon zu Weihnachten gefunden. Dass die Hasel wirklich blüht, erkennt man übrigens nicht an den gelben Kätzchen sondern an den roten Narben der weiblichen Blüten, die aus den Knospen herausgucken. Sie ist ein Windbestäuber und braucht deshalb keine Insekten.

Dazu kommen einige Exoten, die man schon mal in Gärten und Parks sieht. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist die Zaubernuss (Hamamelis-Arten). Die gelben, bei Zuchtformen auch roten oder orangen Blüten erscheinen schon im Januar. Auch sie ist ein Windbestäuber, der durch die sehr frühe Blütezeit sicherstellt, dass der Pollen wirklich nur auf die eigene Art trifft. Die farbigen Blüten sind ein stammesgeschichtliches Relikt. Die Zaubernuss stammt von den frühesten insektenbestäubten Blütenpflanzen der Kreidezeit ab, ist aber sehr schnell zur Windbestäubung zurückgekehrt. Ein uraltes Exemplar der Chinesischen Zaubernuss (Hamamelis mollis) steht im Aachener Von-Halfern-Park in einem inzwischen etwas zugewachsenen Winkel.

Sehr viel seltener wird die Wohlriechende Heckenkirsche (Lonicera fragrantissima) angepflanzt. Wie der Name schon verspricht, riechen die Blüten intensiv. In der Kombination mit der cremeweißen Blütenfarbe kann man vermuten, dass die Art in ihrer Heimat China von nachtaktiven Schmetterlingen bestäubt wird. Ich habe die Art im alten Botanischen Garten der RWTH Aachen kennengelernt, der leider ersatzlos aufgegeben wurde. Heute kenne ich sie nur noch vom Aachener Lousberg, wo ich sie vorige Woche blühend angetroffen habe. Das dürfte allerdings noch nicht allzu viel Leuten aufgefallen sein, weil die Pflanzen nicht an einem der unzähligen Promenadenwege wachsen sondern an der Fahrstraße zur Hochfläche.

Die Wohlriechende Heckenkirsche blüht jetzt auf dem Lousberg.

Der Lousberg beherbergt mit der Stinkenden Nieswurz (Helleborus foetidus) einen weiteren extremen Frühblüher. Die mit der bekannten Christrose verwandte Art ist zwar eine Staude, aber schon im Herbst treiben überwinternde Blätter an einem kurzen Stängel hervor und schützen die Endknospe. Weil sie sich wie bei Sträuchern nicht im Erdboden befindet, kann die Endknospe sehr früh auswachsen. Der daraus austreibende hellgrüne Blütenstand bietet dann einen auffälligen Kontrast zu den wintergrünen Grundblättern. Als heimische Art muss sie den allerersten umherfliegenden Bestäubern etwas bieten. Wie man noch nicht allzu lange weiß, ist das nicht nur der Nektar; spezielle Hefen in der Blüte produzieren auch durch die Vergärung des Nektars Wärme.

Die Stinkende Nieswurz stammt am Lousberg vermutlich von verwilderten Gartenpflanzen ab. Die spontane Verbreitung deckt sich etwa mit dem Weinbauklima und erreicht im Norden so gerade noch Bonn. Abseits des natürlichen Areals ist bei Botanikern schon lange ein Vorkommen in Heimbach-Vlatten bekannt. Der Weg vom Ort in das Wäldchen ist aufgelassen. Man kommt nur noch von der Nordseite hinein. Möglicherweise wurde die Art im Garten der mittelalterlichen Burg Vlatten als Medizinalpflanze kultiviert und ist von hier verwildert.

 

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zuletzt bearbeitet am 5.III.2024