23. Mai 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Die Echte Mehlbeere, ein dekorativer Baum mit viel Potential
Ruth Gestrich-Schmitz
Die Eberesche, auch Vogelbeere genannt, mit ihren im Herbst leuchtend orangeroten Früchten, ist ein weit verbreiteter, bekannter Baum, der 1997 zum Baum des Jahres erkoren wurde. Im Jahr 2024 ist es die mit ihr eng verwandte Echte oder Gewöhnliche Mehlbeere (Sorbus aria), der diese Ehrung zuteilwird, ein heimischer Laubbaum, den viele gar nicht kennen.
Die lichtliebende Mehlbeere, die zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehört, nur bis zu fünfzehn Meter hoch wird und ein Alter von hundertfünfzig bis zweihundert Jahren erreichen kann, ist in Deutschlands Wäldern selten anzutreffen, wenn, dann in sehr lichten Wäldern, an Waldrändern, in Heidegebieten, auf Mager- und Trockenrasen. Sie wächst an natürlichen Standorten gerne an sonnigen Hängen auf kalkreichem Boden. Häufiger sieht man die Mehlbeere in Städten: in Parks und als Straßenbaum. Jetzt im Mai macht sie mit ihren cremeweißen, schirmrispigen Blütenständen auf sich aufmerksam. Deren wohlriechender Duft lockt zahlreiche Insekten an. Ihre am Rand ungleichmäßig doppelt gesägten Blätter sind unterseits von einem dichten silbergrauen Haarfilz bedeckt, der verhindert, dass zu viel Wasser verdunstet. An windigen Tagen ist die Mehlbeere schon von weitem an der silberflimmernden Baumkrone zu erkennen. Ab Mitte September machen die orange bis scharlachroten Früchte inmitten der sich herbstlich gelb, später goldbraun färbenden Blätter die Mehlbeere zu einem wahren Hingucker.
Die etwa einen Zentimeter dicken, kugeligen Früchte sind zwar essbar, schmecken aber mehlig und fad, nach dem ersten Frost leicht süßlich. Bei Vögeln wie Drosseln, Amseln, Rotkehlchen, Finken oder Meisen sind die Früchte dagegen sehr beliebt. Falls die Vögel davon etwas übriglassen, freuen sich auch Säugetiere, von Mäusen bis Wildschweinen, über die Leckerbissen, aber erst im darauffolgenden Jahr, denn die Fruchtstände als sogenannte Wintersteher fallen dann erst ab.
Warum die Mehlbeere diesen nicht besonders attraktiven Namen hat, könnte neben dem mehligen Geschmack der Früchte auch an den wie mit Mehl überzogenen jungen Trieben und Blattunterseiten liegen, oder daran, dass man in Notzeiten Mehl mit getrockneten Mehlbeerenfrüchten gestreckt hat.
Die Mehlbeere neigt zum Bastardieren, das heißt, sie kreuzt sich auch mit nah verwandten Arten wie Eberesche oder Elsbeere. Die Mehlbeeren-Bastarde sind in der Regel steril, können sich aber ungeschlechtlich (apomiktisch) vermehren, wobei ihre Samen auch ohne Befruchtung keimfähig sind. Die Nachkommen sind genetisch identisch mit der Mutterpflanze. Diese sogenannten konstanten Hybriden werden mittlerweile als eigenständige Arten angesehen, wie die Schwedische Mehlbeere (Sorbus intermedia). Vorteil der Hybriden: Sie sind nicht auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen.
Warum hat man ausgerechnet die Mehlbeere zum Baum des Jahres 2024 gewählt? „Bei der Baumart sei zu erwarten, dass sie auch mit zunehmenden Trockenperioden gut zurechtkommen werde, begründete die "Baum des Jahres - Dr. Silvius Wodarz Stiftung" die Entscheidung. Dem Baum komme daher zukünftig eine bedeutende Rolle bei der Begrünung der Städte zu. Diese werde in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger.“ Die Mehlbeere als heimischer, tiefwurzelnder Baum, der sowohl hohe Temperaturen als auch mitteleuropäische Winter verträgt, ist in die Liste der Zukunftsbäume für die Stadt aufgenommen worden. Neben ihrer dekorativen Erscheinung spielt sie eine bedeutende Rolle für den Klima- und Artenschutz: Gerade in Städten ist der Kühlungseffekt durch Beschattung und Verdunstung und die Verbesserung der Luftqualität besonders wichtig. Als Futterquelle für viele Insekten- und Vogelarten trägt sie zu deren Erhaltung bei. Wegen ihrer überschaubaren Größe ist sie auch für die Pflanzung in Hausgärten geeignet. Zudem gehen Forstleute davon aus, dass die Mehlbeere auf Grund ihrer hohen Trockentoleranz eine wichtige Rolle für den Zukunftswald spielen könnte.
zuletzt bearbeitet am 12.VI.2024