13. Juni 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Eintagsfliege hat nur ein kurzes, aber vollendetes Leben

 Karl Josef Strank

Wenn jemand einem Anderen begeistert ein Vorhaben oder Projekt vorstellt, bekommt er oft mit skeptisch zweifelndem Blick die Frage gestellt: „Aber ist das nicht nur eine Eintagsfliege.“

Das bemerkenswerte Insekt steht für Kurzlebigkeit schlechthin und weiter gedacht für Scheitern. Kurzlebig ist aber nur die flugfähige Imago, das fertige Insekt. Diese leben bei den unterschiedlichen Arten wenige Minuten und in Ausnahmefällen länger als eine Woche, im Schnitt 1-2 Tage. Das Larvenstadium entwickelt sich 1-4 Jahre im Wasser. Die Fliege, so kurzlebig sie auch sein mag, ist der Höhepunkt und vollendet den Lebenszyklus.

Eintagsfliegen sind zarte Gebilde. Sie besitzen große Flügel, die quer und längs geädert sind und an den kräftigen Brustsegmenten ansetzen. Da diese steif und nicht faltbar sind, werden sie in Ruhestellung auf dem Rücken nach oben gestellt. Die vorderen großen Flügel sind von Gestalt dreieckig mit gerundeten Ecken, die hinteren deutlich kleineren sind nahezu eiförmig. Sie lassen sich nur auf- und niederschlagen. Von daher sind Eintagsfliegen schlechte Flieger. In der Luft flattern und schweben sie mehr oder weniger. Am Hinterleib sitzen drei charakteristische lange, dünne Anhänge, die beim Fliegen zur Steuerung eingesetzt werden. Die Beine sind schlank und machen einen eher schwachen Eindruck.

Eintagsfliegen sind eine urtümliche Gruppe und es gibt sie seit dem Karbon, der Steinkohlenzeit, in der es auf der Erde ausgedehnte Sumpflandschaften gab. Linné beschrieb 1758 die Gewöhnliche Eintagsfliege, Ephemera vulgata. Weltweit schätzt man die Familie auf etwa 1.500 Arten, heute werden immer noch neue Eintagsfliegenarten entdeckt. Bei uns werden sie wie im Englischen auch als Maifliegen (Mayfly) bezeichnet. Aufgrund der Spezialisierungen der vielen Arten sind sie aber an Gewässern von April bis Oktober anzutreffen.

Die längste Zeit ihres Lebens verbringen Eintagsfliegen als Larven im Wasser. Je nach der Art des Gewässers unterscheiden sich die Larven deutlicher als die Imagines. Freischwimmende Larven bewohnen stehende oder langsam fließende, pflanzenreiche Gewässer. Sie haben einen runden Körper, der in drei kräftigen Schwanzanhängen endet, die der Fortbewegung dienen. Die seitlich am Bauch ansitzenden Kiemenblättchen bewegen sich ständig, was den Atmungsorganen ständig frisches Atemwasser zuführt wie ebenso zur Fortbewegung beiträgt. Kriechende Larven leben am Boden schlammiger Gewässer. In der Form unterschiedlich haben sie alle eine starke Behaarung, an der viel Schlamm hängen bleibt, was eine sehr gute Tarnung bewirkt. Da der Schlamm aber auch die Atmung erschwert, gibt es bei den Arten verschiedene Anpassungen bei den Kiemen. Weiter spezialisiert sind die grabenden Larven, die vor allem Uferböschungen langsam fließender oder stehender Gewässer bewohnen. Sie graben U-förmige Gänge mithilfe ihrer Beine und des den Kopf weit überragenden Oberkiefers. Dazu haben sie außen am schaufelartigen Oberkiefer und an den Beinen große Zacken ausgebildet. Larven stark strömender Gebirgsbäche haben eine flache Unterseite und liegen Steinen des Gewässergrunds eng an. Ihr Körper ist stromlinienförmig oval und auf der Unterseite haben sie einen Saugnapf ausgebildet.

Die Larven leben von sich zersetzenden Blättern, Sink- und Schwebstoffen und bilden selbst einen Großteil der Fischnahrung. Die erwachsenen Eintagsfliegen nehmen keine Nahrung mehr auf. Ihr kurzes Leben dient einzig der Fortpflanzung. In die Schwärme der Männchen fliegen die Weibchen hinein. Diese ergreifen sie von unten und begatten sie. Dazu haben sie regelrechte Stielaugen (Turbanaugen, tubusartig aufgerichtete Teile der Facettenaugen) und lange Vorderbeine, mit denen sie die Weibchen umklammern. Nach erfolgter Begattung sterben beide, die Weibchen schweben aufs Wasser und stoßen sterbend große Eipakete aus. Das Leben der Eintagsfliegen gipfelt in Begattung und Fortpflanzung. Die massenhaften Schwärme an Flüssen und Seen in heißen Sommernächten sind ein Festmahl für Vögel und Fledermäuse.

 

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zuletzt bearbeitet am 15.VII.2024