27. Juni 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Stierkäfer, ein kotvertilgender Herkules

 Veronika Bernhardt

Stierkäfer kommen in ganz Europa und in Nordafrika vor. Obwohl sie mit einer Körperlänge von 15 bis 24 Millimetern in Europa zu den größeren Bodeninsekten zählen, sieht man sie recht selten, da sie nachtaktiv sind. Sie besitzen einen gedrungenen, nach oben gewölbten Körper, der von einem schwarz glänzenden Chitinpanzer bedeckt ist. Die Deckflügel weisen eine charakteristische Längsrillung auf. Jedes der sechs Beine ist mit einer Vielzahl ausgeprägter Dornen besetzt, was ihre Funktion als effektive Grabbeine ermöglicht.

Beim Stierkäfer liegt Sexual-Dimorphismus vor, das heißt Männchen und Weibchen lassen sich deutlich unterscheiden. Beim Männchen sitzen an seinem Halsschild drei hornartige Auswüchse, der mittlere kurz, die beiden äußeren Fortsätze lang und nach vorne gebogen, ähnlich den Hörnern eines Stieres (Namensgebung !). Sie werden sowohl im Rivalenkampf als auch zum Schutz ihrer Nistplätze eingesetzt. Beim Weibchen finden sich nur kleine, höckerartige Horngebilde.

Die Mundwerkzeuge der Stierkäfer sind bis zu drei Millimeter lang und dienen sowohl dem Graben von Erdgängen als auch dem Zerkleinern von Pflanzenbestandteilen. Der Stierkäfer gehört zur Familie der Mistkäfer und wird wegen seiner drei Hörner auf dem Halsschild des Männchens auch „Dreihorn-Mistkäfer“ genannt.

Sein bevorzugter Lebensraum sind sandige Böden in Heidegebieten und lichte Kiefernwälder, wo er seine enorm tief reichenden Brutstollen (ein bis anderthalb Meter tief !) mit Nebengängen anlegen kann. Die Seitengänge enden in einer Kammer, in die vom Männchen Kot transportiert und zu einer Kugel geformt wird.

Der Käfer bevorzugt dabei Kot von Kaninchen, macht sich aber auch über Schafs- oder Rotwilddung her sowie auch über Pferdemist und Rinderdung. Dabei ist der nur wenige Gramm schwere Käfer in der Lage, ein 1000-faches seines Eigengewichtes zu bewegen beziehungsweise zu schieben und wird daher in der Literatur auch „Kraftprotz auf sechs Beinen“ genannt. Das Weibchen legt je eines der bis zu 80 Eier in der Nähe jeder Nährpille ab, sodass sich die ausschlüpfende Larve von dem Kotvorrat ernährt, bis sie sich nach etwa einem Jahr verpuppt und zwei bis drei Jahre alt werden kann. Fressfeinde sind Schlangen und Vögel.

Für unser Ökosystem

Der Stierkäfer ist als geschickter Tunnelgräber und eifriger Kotbeseitiger unverzichtbar für unser Ökosystem.

Dadurch, dass er den Kot von Pflanzenfressern verwertet, trägt er in hohem Maße zur Verbesserung unserer Böden bei. Dies geschieht zum einen durch die Nährstoffe im Kot selbst sowie zum anderen durch das Graben der verzweigten Tunnel, die der Belüftung des Bodens dienen. Gleichzeitig werden dadurch Transport und Verteilung von Pflanzensamen unterstützt. Weiterhin wird durch die zügige Entfernung des frischen Kots von der Bodenoberfläche verhindert, dass sich zum Beispiel in Kuhfladen ungehindert parasitische Würmer oder Fliegen entwickeln können und es wird die Emission von Treibhausgasen, besonders aus Kuhfladen, vermindert.

Eine Berechnung in Großbritannien ergab, dass die „kostenfreien Dienstleistungen“ dieser kotvertilgenden Käfer über 400 Millionen Euro pro Jahr Ersparnis darstellen. Allerdings ist diese Leistung nur über die Fäkalien von Weidevieh erreichbar, denn Gülle und Mist aus Stallhaltung können von den Käfern nicht genutzt werden.

Leider wird in den letzten Jahrzehnten ein massiver Rückgang der ökologisch so bedeutsamen Mistkäferbestände beobachtet. Zurückzuführen ist das zum einen auf die immer häufigere Stallhaltung und zum anderen auf eine zunehmende Verwendung von Medikamenten bei Weidetieren, zum Beispiel prophylaktische Verabreichung von Wurmkuren. Die Wirkstoffe werden von den behandelten Tieren ausgeschieden und gelangen so in die koprophagen Käfer, die entweder absterben oder sich nur noch eingeschränkt vermehren können.

Der Stierkäfer steht hier also als Stellvertreter für die ökologische Relevanz kotfressender Käfer und wurde daher zum Insekt des Jahres 2024 gewählt.

 

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zuletzt bearbeitet am 15.VII.2024