4. Juli 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Schmetterling des Jahres: Der Mosel-Apollo
Joachim Schmitz
Dieses Jahr ist keine Art sondern eine spezielle Unterart zum Falter des Jahres gekürt worden. Der Apollo ist in Europa weit verbreitet. An der Untermosel hat sich eine eigenständige Population entwickelt, die nach dem „locus typicus“ Winningen, dem Fundort der Erstbeschreibung, Parnassius apollo vinningensis genannt wurde. Die Raupe ernährt sich vor allem von der Weißen Fetthenne (Sedum album), die es hier in Felsen inmitten der berühmten steilen Weinberge reichlich gibt. Und genau das ist auch das Problem. Die Weinberge werden durchweg konventionell bewirtschaftet. Die Ausbringung von „Pflanzenschutzmitteln“ wäre von Hand sehr aufwändig und wird seit ca. 2011 mit Hubschraubern gemacht. Dabei können natürlich die Felsen in den Weinbergen gar nicht ausgespart werden. Genau seit dieser Zeit beobachten Naturschützer einen dramatischen Einbruch der Population. Um darauf aufmerksam zu machen, ist der Mosel-Apollo zum Falter des Jahres gewählt worden.
Unterart
Nicht nur biologische Laien schmeißen Begriffe wie Gattung, Art und Unterart häufig durcheinander. Nach der von Ernst Mayr begründeten Synthetischen Evolutionstheorie umfasst eine Art alle Individuen, die sich zumindest theoretisch untereinander fortpflanzen können. Wird eine Population z.B. durch klimatische Umbrüche von der Stammpopulation getrennt, entwickelt sie sich eigenständig weiter. Irgendwann wird daraus eine neue Art entstehen. Aber solange der genetische Abstand noch nicht groß genug ist, nennt man das eine Unterart. Zoologen fügen dem zweiteiligen wissenschaftlichen Namen einfach noch einen dritten Namensteil hinzu (s.o.). In der Botanik wird die Unterart (subspecies) explizit angezeigt durch die Abkürzungen ssp. oder subsp. vor dem zweiten Adjektiv.
Eiszeitrelikt
Der Apollo als Gesamtart kommt in den Alpen bis 3000m Höhe vor und dann wieder in Skandivien und Finnland, hier auch in der Ebene. Dazwischen gibt es nur wenige, lokal begrenzte Populationen Das ist das typische Verbreitungsmuster einer Art, die die Eiszeit in Mitteleuropa überlebt hat. Der größte Eisvorstoß von Norden reichte etwa bis vor die Deutschen Mittelgebirgsschwelle, also Eifel, Bergisches Land, Sauerland usw. Der Verlauf der Donau markiert ungefähr die maximale nördliche Ausbreitung der Alpengletscher. Dazwischen existierte eine kleinwüchsige und vor allem baumfreie Vegetation, die man sich so vorstellen kann wie heute die Tundra am Polarkreis. Hier muss der Apollofalter flächendeckend vorgekommen sein. Nach der Eiszeit kamen die Bäume wieder und die Tiere und Pflanzen der eiszeitlichen Tundra folgten den Gletschern in die Alpen und nach Skandinavien. Nur an wenigen Sonderstandorten, die immer baumfrei geblieben sind, konnten sich Restpopulationen halten. So ein Sonderstandort sind die Felsen an der Mosel. Hier ist es bis heute für Bäume zu trocken.
Apollo am Typusort Winningen. Ende Juli 1991 waren die roten Augenflecken schon etwas verblichen.
Untermosel
Im Atlantikum vor vielleicht 6000 Jahren (verschiedene Quellen sind über eine genauere Datierung sehr uneins) war es ziemlich warm und feucht. Das ist die Zeit, in der im Venn das Hochmoor entstanden ist. An der Mosel wanderten damals sehr wärmeliebende Pflanzen und Tiere aus Frankreich ein. Aufgrund der besonderen mikroklimatischen Bedingungen konnten sie sich an der Untermosel bis heute halten. Und so entstand die kuriose Situation, dass man hier im selben Biotop extrem wärmeliebende Arten und Eiszeitrelikte nebeneinander findet. Der entscheidende ökologische Faktor ist nicht das Klima sondern die volle Besonnung an Standorten, die auch nach der Eiszeit immer baumfrei geblieben sind. Z.B. ist das Dortebachtal bei Klotten bekannt für das Vorkommen der Westlichen Smaragd-Eidechse (Lacerta bilineata). Dies ist einer der nördlichsten Vorposten der sonst viel weiter südlich verbreiteten Art. Deshalb ist die Untermosel sowohl für Tiere wie Pflanzen ein echter Hot Spot.
zuletzt bearbeitet am 28.VII.2024