25. Juli 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Großer Wiesenknopf, Spezialist auf wilden und bunten Wiesen

 Margit Rößer

Wer ist nicht fasziniert von der Farben- und Formenvielfalt der Wiesenblumen, den unzähligen, summenden und brummenden Insekten, Schmetterlingen, Grashüpfern und anderen Krabbeltieren, die an einem Sommertag zum Träumen verleiten? Unter „Wiese“ verstehe ich nicht das intensiv bewirtschaftete Dauergrünland, das gedüngt und bis zu sechsmal im Jahr gemäht wird, um Heu oder Silage als Tierfutter zu gewinnen. Ich meine Grünland, das kaum gedüngt und nur zweimal im Jahr gemäht wird. Dort findet man den Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis). Er gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae), wird etwa 60 bis 150 Zentimeter hoch und liebt vorwiegend die wechselfeuchten Wiesen. Die meist gefiederten Blätter stehen in einer Rosette am Boden. Die im Juli bis September ausgebildeten weinroten, länglich kugeligen Blüten stehen standhaft schwebend über dem Laub.


Mit einem Schmetterling

Dort bildet er eine existentielle Gemeinschaft mit dem Dunklen-Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous), einem Schmetterling aus der Familie der Bläulinge. Dieser legt seine Eier auf die unreifen Blütenstände des Großen Wiesenknopfes. Die schlüpfenden Raupen ernähren sich in den ersten Wochen ausschließlich von seinen Blütenköpfen. Nach dieser Zeit kommen die gut getarnten Raupen an die Blütenoberfläche und seilen sich am Seidenfaden auf den Boden ab.

Die Rolle der Ameise

Dort warten sie darauf, von der Roten Knotenameise (Myrmica rubra) gefunden zu werden. Diese trägt das Fundstück in ihren Bau, wo die Ameisenbrut der überlisteten Wirtseltern von der Raupe gefressen wird (ein Drüsensekret der Raupe imitiert den Nestgeruch der Ameisen). Mehr als elf Monate lebt der Dunkle Wiesenkopf-Ameisenbläuling im Ameisennest, davon gut drei Wochen als Puppe. Ein wahrer Krimi und eigentlich gemein, aber im Gegenzug überlassen sie den Ameisen ein zuckerhaltiges Sekret. Nach dem Schlüpfen aus der Puppe muss der Schmetterling das Nest schnellstens verlassen, denn jetzt funktioniert die Tarnung nicht mehr und der Schmetterling wird selbst als Beute betrachtet.

Heute kommt der Große Wiesenknopf in Mittel-und Süddeutschland, vor allem im Alpenvorland vor, ist aber fast überall selten geworden. Diese komplizierten Abhängigkeitsverhältnisse und der Rückgang des extensiv genutzten Grünlandes – weil unwirtschaftlich – sind der Grund für den starken Rückgang sowohl des Wiesenknopfes als auch des Ameisenbläulings.

Wird zu oft, beziehungsweise zu früh gemäht, fehlen die Blüten des Wiesenknopfes als Eiablage für den Ameisenbläuling. Befinden sich die Raupen zum Zeitpunkt der Mahd noch an der Pflanze, geht mit dem Abtransport des Mähgutes die Brut verloren.

Auch die Ameisen spielen eine entscheidende Rolle, dienen doch die Ameisennester dem Ameisenbläuling als Vorratskammer und warmer Überwinterungsort.

Die Pflanze hatte früher aufgrund ihres Gerbstoffgehalts Bedeutung in der Volksheilkunde. Die Wurzel und auch das Kraut wurden gegen Durchfall eingesetzt und galten als gutes blutstillendes Mittel. Der Name weist auf diese Verwendung hin: lat.: sanguis für Blut, sorbere für aufsaugen. Tee aus den Blättern war einst ein beliebtes Gurgelmittel bei Entzündungen im Mund und Rachen. Die Pflanze enthält viel Vitamin A und C. Homöopathische Zubereitungen werden heute noch bei Krampfaderleiden, klimakterischen Blutungen und Durchfallerkrankungen genutzt.

Junge Blätter und saftige Triebspitzen können als Gewürzkraut für Salate und Suppen verwendet werden. Am besten werden diese roh verwendet, denn das Aroma geht beim Kochen verloren.

Die Loki Schmidt-Stiftung, die sich deutschlandweit für den Erhalt seltener Pflanzen und Tiere einsetzt, hat den Großen Wiesenknopf 2021 als Blume des Jahres ausgezeichnet.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.VII.2024