1. Aug 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Garten-Stockrose – Von der Bauerngarten- zur Stadtpflanze

 Ruth Gestrich-Schmitz

Garten-Stockrosen (Alcea rosea) mit ihren großen, prachtvollen Blüten und ihrem hohen, aufrechten Wuchs zieren seit Jahrhunderten Bauern- und Klostergärten. Auch wenn sie Stockrose genannt wird, weil die Blüten gefüllter Sorten einer Rosenblüte ähnlich sehen, gehört sie doch zu den Malvengewächsen, worauf ihre Volksnamen Garten-Malve, Schwarze Malve oder Bauerneibisch hinweisen. Als ihre Heimat gilt der Raum von Südosteuropa bis Südostasien. Eine Wildform der Garten-Stockrose ist nicht bekannt, vermutlich handelt es sich um eine stabile Kulturhybride.

Die ersten Aufzeichnungen über die Garten-Stockrose in Europa stammen aus dem 16. Jahrhundert. Damals wurde sie sowohl als Zierpflanze als auch als Heilpflanze kultiviert. Volksnamen wie Halsrose, Mundrose oder Brandrose beziehen sich auf ihre Heilwirkung: In der Volksmedizin sind Stockrosenblüten mit ihren Schleim-, Gerb- und Bitterstoffen auch heute noch Bestandteil von Teemischungen zur Behandlung von Husten und Bronchitis, Magen- und Darmproblemen, äußerlich angewendet als Umschlag bei Verletzungen. Der in der schwarz-rot blühenden Sorte „Nigra“ in großen Mengen enthaltene Farbstoff Malvin wurde im 19. Jahrhundert als Ersatz für den teureren Indigo zum Färben von Textilien verwendet. Auch Wein, Likör, Süßspeisen und andere Lebensmittel wurden damit gefärbt.

Heutzutage hat die Garten-Stockrose vor allem eine Bedeutung als attraktive Zierpflanze. Nach der Aussaat bildet sie im ersten Jahr eine Blattrosette, im zweiten Jahr einen bis zu zwei Meter kerzengerade hoch wachsenden Stängel mit wechselständig stehenden, langgestielten, fünf- bis siebenlappigen, filzig behaarten Blättern mit herzförmigem Grund. Von Juli bis Oktober präsentiert die Garten-Stockrose ihre Pracht mit bis zu zehn Zentimeter großen Blüten, in endständiger, lockerer Traube sitzend, oder auch weiter unten einzeln gestielt in den Blattachseln. Sie werden gerne von Honigbienen und Hummeln besucht. Züchtungen mit ungefüllten oder gefüllten Blüten in vielen schönen Farbtönen von weiß über gelb, apricot, rosa, rot, violett bis fast schwarz sind im Handel erhältlich. „Polarstern“ (weiß mit gelbem Auge) und „Mars Magic“ (rot) sind einfach blühende Sorten. Feine Farbnuancen von Cremeweiß bis Apricot kennzeichnen die Blüten der Sorte „Champagner“. Die rotvioletten, gefüllten Blüten von „Cassis Swirl“ erinnern ein wenig an Englische Rosen.

Alcea rosea ist leider anfällig für den Malvenrost, einen Pilz, der rote Pusteln auf den Blättern bildet und diese verwelken lässt. Die Stockrosen verkahlen, auch wenn sie weiter blühen. Kaum anfällig, mit etwas kleineren Blüten, ist die Kreuzung aus Stockrose (Alcea rosea) und Echtem Eibisch (Althaea officinalis). Zu diesen sogenannten Bastardmalven (x Alcalthaea suffrutescens) gehören die Sorten „Parkallee“ (hellgelb, halbgefüllt), „Parkfrieden“ (hellrosa) und „Parkrondell“ (dunkelrosa, halbgefüllt).

Am besten gedeiht die Garten-Stockrose an einem sonnigen, nicht zu feuchten Standort mit durchlässigem Boden. Da die hohen Stängel bei Wind leicht umknicken, empfiehlt es sich, die Stockrose zum Schutz nahe an die Hauswand zu pflanzen, oder an den Gartenzaun, wo sie einfach anzubinden ist. In der Regel sind Stockrosen zweijährige Pflanzen. Entfernt man die Blütenstände nicht, sät sie sich von selbst wieder aus. Bei einfachblühenden, gelben und dunkelroten Sorten kann man die Stängel vor der Samenbildung deutlich kürzen, und mit ein wenig Glück blüht dieselbe Pflanze direkt im nächsten Sommer wieder.

Seit den 1990er Jahren kam es besonders in wärmebegünstigten Städten in der Nähe von Gärten zu Verwilderungen von Stockrosen, die seitdem immer mehr zugenommen haben. Heute findet man Stockrosen auf Bürgersteigen, entlang von Hauswänden, in Pflasterritzen, an Mauern, auf Baustellen, Brachflächen und Straßenböschungen. Die Garten-Stockrose hat sich zu einer wahren Stadtpflanze entwickelt, weswegen sie zur Stadtpflanze des Jahres 2024 gekürt wurde.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.IX.2024