22. Aug. 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Weiße Klarapfel – ein frühes und wertvolles Obst

 Karl Josef Strank

In jeder Obstwiese wuchs früher wenigstens ein Baum des Weißen Klarapfels. Er war sehr beliebt und galt als wertvoll, weil er schon früh im Juli/August reifte und meist der erste frische Apfel des Jahres war. Wenn die Schale eine gelbliche Farbe annimmt, ist er erntereif. Länger als vierzehn Tage bleibt er aber geschmacklich nicht auf der Höhe. Ende Juli muss er verkauft und bis Mitte August verbraucht sein, sonst wird das Fleisch mehlig. Die Tatsache, dass es den Klarapfel nur in einem sehr engen Zeitfenster des Jahres gibt, trägt sicher mit dazu bei, dass man ihn so schätzt. In den Supermärkten ist er kaum bis gar nicht zu finden und die Apfelbauer, die ihn kultivieren, haben die Ernte schnell ausverkauft. Von daher ist es das Beste, ihn im eigenen Obstgarten zu pflanzen.

Auf einen gut sortierten Obstgarten legte schon Karl der Große wert, wenn er im Capitulare de villis aufschreiben ließ, dass bei den Äpfeln, Birnen, Kirschen, und Pflaumen mehrere Sorten angepflanzt werden sollten. Bei den Äpfeln werden sogar Sortennamen (Gosmaringer, Geroldinger, Crevedeller, Sperauken) genannt, die sich heute nicht mehr zuordnen lassen. Es sollten aber süße, säuerliche, alle Lageräpfel und welche, die sofort verzehrt werden, sowie Frühäpfel dabei sein. Der Schub, den die Obstkunde dadurch erfuhr, hielt bis ins letzte Jahrhundert an. Dann zahlte die Europäische Gemeinschaft Rodungsprämien für Obstgärten und zahlreiche Bäume und vor allem Sorten fielen dieser modernen Neuausrichtung der Landwirtschaft zum Opfer. Im Zuge der Ökobewegung in den Achtziger Jahren wurden die Obstwiesen aber wieder entdeckt und heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie zu den artenreichsten Lebensräumen unserer bäuerlichen Kulturlandschaft gehören. Auch die Obstkunde ist auferstanden, denn 1991 hat sich der Deutsche Pomologen-Verein neu gegründet. Inzwischen gibt es einige hervorragende Kenner*innen der alten Sorten, die regelmäßig Bestimmungskurse anbieten oder auf den häufig stattfindenden Obstwiesenfesten ihre Dienste anbieten.

Der Klarapfel ist in dem Obsortenwerk „Deutschlands Obstsorten“, das in fortlaufenden Lieferungen von 1905-1934 erschien, ausführlich beschrieben. Er stammt aus dem Baltikum. Dort wird er als „Naliwnoje heloje“ und „Pomme de Reval“ bezeichnet. Die Franzosen nennen ihn „Grand Sultan“ oder „Transparente de St. Léger“. Früher hatte er auch die deutschen Namen „Weißer Transparentapfel“ oder „durchsichtiger Sommerapfel“. Seine Gestalt wird als mittelgroß bis groß, 7-9 cm breit und fast ebenso hoch beschrieben. Stielbauchig nach dem Kelch zu kegelförmig zugespitzt. Kalvillartige Rippen ziehen vom Kelch bis über die Mitte der Frucht, gelegentlich tritt eine Kante schärfer hervor. Der Kelch ist geschlossen oder halboffen mit langgestreckten und grauwolligen, an der Spitze auswärts gebogenen Kelchblättern. Die Einsenkung des Kelches ist flach, von deutlichen Rippen eingefasst. Der Stiel ist lang und dünn, 2,5-3 cm, grünlich oder hellbraun gefärbt, in tiefer, etwas berosteter Stielhöhle. Die Schale ist einfarbig, grünlichweiß bis weißlichgelb, mit wachsartigem Überzug, glatt und mit großen, grünen Punkten bedeckt, die in der lagerreifen Frucht ganz hell erscheinen. Das Fleisch ist weiß mit etwas grünem Schimmer, locker und feinkörnig, von würzigem, feinsäuerlichem Geschmack und köstlichem Duft. Das Kerngehäuse ist scharf abgegrenzt, hohlachsig und groß, Kammern geräumig und reich mit gut entwickelten Kernen gefüllt.

Die hier ausführlich widergegebene Beschreibung belegt, wie sorgfältig Pomologen die Äpfel unter die Lupe nehmen. Sie erfordert eine äußerst genaue, nuancenreiche Beobachtung, ist aber auch vage wegen der breiten Variation der Früchte. Um diese zu erfassen müssen daher immer mehrere, gut entwickelte, der Sonne exponierte miteinander verglichen werden.

Der Klarapfel ist der frühest reifende und nach wie vor beliebt. Mir ist er seit Kindertagen in der großväterlichen Obstwiese als „Kompottapfel“ bekannt.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.IX.2024