12. Sept 2024
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Steinklee: Pionier auf Schuttböden
Joachim Schmitz
Haben Sie an einem heißen Spätsommertag schon mal den Duft von Waldmeister gerochen? Aber weit und breit kein Wald und für Waldmeister ist es ja auch viel zu spät. Das könnte vom Steinklee stammen. Am häufigsten sind bei uns der Echte (Melilotus officinalis) und der Weiße Steinklee (M. albus). Sie kommen oft zusammen auf relativ nährstoffarmen Böden vor. Die können steinig-schotterig wie Bahngelände sein. Es werden auch tonige Rohböden wie Bauaushub, Steinbruchsohlen oder Tongruben besiedelt.
Der Geruch kommt vom Gehalt an Cumarin, immerhin 0,9% der Trockenmasse. Dazu kommen noch 6% Cumarinsäureglykosid. Das zerfällt beim Trocknen und setzt dabei Cumarin frei. Das ist der Grund, warum das „Heu“ noch intensiver nach Waldmeister riecht. Weitere Inhaltsstoffe sind Saponine und Flavonoide. Die medizinische Droge Meloliti herba bzw. Herba Meliloti wird aus frischen oder getrockneten Blättern und blühenden Zweigen gewonnen. Es wirkt Blut- und Lymphstauungen entgegen und wird deshalb als Venenmittel eingesetzt sowie begleitend oder zur Nachversorgung von Ödemen, Thrombosen und Hämorrhoiden. Weitgehend inhaltsgleich ist noch eine dritte Art, der Hohe Steinklee (Melilotus altissimus), aus dem ebenfalls Meliloti herba gewonnen werden kann. Der ist aber seltener und unterscheidet sich auch in seinem Standort. Die Art steht deutlich feuchter und kommt in Stromtälern wie am Rhein aber auch in der höheren Eifel vor.
Selbst auf kleinsten Flächen kämpft sich der Weiße Steinklee durch.
Wegen des starken Geruchs wurden getrocknete Pflanzenteile auch zur Abwehr von Motten zwischen Kleidung und Wäsche gelegt. Deshalb heißt die Pflanze regional auch Mottenklee.
Der deutsche Name Steinklee bezieht sich auf den oft schotterig-steinigen Standort. Die vielen Blüten sind sehr nektarreich und eine hervorragende Bienenweide. Deshalb wird die Art z.B. in Niederösterreich Honigklee genannt. Das ist auch die wörtliche Übersetzung des wissenschaftlichen Namens. Der leitet sich vom griechischen melilotos ab, das sich aus meli (Honig) und lotos (Klee) zusammensetzt. Schon in der Antike wurden viele Pflanzen nur wegen der dreigeteilten Blätter als Klee bezeichnet. Heute ist der Name Klee i.e.S. auf die Gattung Trifolium beschränkt. Häufige Arten sind z.B. der rote Wiesen-Klee (Trifolium pratense) und der Weiß-Klee (T. repens). Immerhin gehört der Steinklee zur selben Familie, den Schmetterlingsblütlern. Der Name ist insofern irreführend, als alle Schmetterlingsblütler typische Bienenblumen tragen.
Charakteristisch für die Familie ist die Symbiose mit Knöllchenbakterien. Auch Steinklee hat an den Wurzeln solche Knöllchen, in denen Bakterien den Luftstickstoff in mineralisches Ammonium verwandeln, wodurch der Boden gedüngt wird. Deshalb wird Steinklee als Gründünger angebaut. Die tiefreichenden Wurzeln bewirken zusätzlich eine Verbesserung der Bodenstruktur. Im Handel wird er allerdings unter Fantasienamen wie Wunderklee, Sibirischer Riesenklee oder Ungarischer Honigklee verkauft. Am geläufigsten ist die Bezeichnung Bokharaklee. Bokhara ist die alte Schreibweise der Stadt Buxoro. Die liegt in Usbekistan und ist einer wichtigsten Handelsplätze Zentralasiens.
Ökologisch begründen Echter und Weißer Steinklee eine eigene Gesellschaft. Der wissenschaftliche Name Echio-Melilotetum bezieht sich neben dem Steinklee auf die Natternzunge (Echium vulgare). Diese Art hat ihren Schwerpunkt in natürlichen Sand- und Felsrasen, was die Nähe der Steinklee-Flur zu solchen Biotopen unterstreicht. Die starkwüchsigen Steinklee-Arten bilden oft dichte Bestände, so dass dann nur wenig Platz für Begleitpflanzen bleibt. Fast immer gehört die Wilde Möhre (Daucus carota) dazu.
Die Gesellschaft gilt noch nicht als gefährdet, wird aber wie alle sogenannte Ruderalvegetation immer seltener. Dies liegt an der zunehmenden Versiegelung von Flächen und der Verdichtung der Bebauung. Das Foto ist ein bezeichnendes Beispiel dafür. Auf der Fläche in der Nähe des Aachener Bushofs steht heute ein Hotel.
zuletzt bearbeitet am 24.X.2024